Drei bis heute ungeklärte Todesfälle und drei spurlos Verschwundene hat es 1934 auf der im Pazifischen Ozean gelegenen Insel Floreana gegeben. Die Medien haben sich diesem reißerischen Thema ausführlich gewidmet und unter dem Namen Galápagos-Affäre einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Durch den Entschluss des Berliner Arztes Friedrich Adolf Ritter und seiner Lebensgefährtin Dore Koerwin, dem bürgerlichen Leben auf einer einsamen Insel den Rücken zu kehren, nahm die Katastrophe ihren Lauf. Im September 1929 waren sie die ersten Inselbewohner. Doch mit der Österreicherin und selbst ernannten Kaiserin Eloise Wagner de Bousquet sowie dem Ehepaar Heinz und Margaret Wittmer, deren Nachfahren heute die Betreiber eines Hotels auf Floreana sind, gab es weitere Personen, die als Aussteiger ein Leben inmitten der unberührten Natur führen wollten.
Ida Hegazi Høyer hat in ihrem Roman „Das schwarze Paradies“ diese Vorkommnisse aufgegriffen und als Vorlage verwendet: Nachdem sich der Zahnarzt Dr. Carlo Ritter von seiner Ehefrau hat scheiden lassen und alle seine Zähne gezogen hat, um späteren Problemen damit vorzubeugen, begibt er sich auf eine viermonatige Seereise. Auf der Galápagos-Insel Floreana angekommen, bricht er schnell seinen Vorsatz, Vegetarier zu werden, da ansonsten nur Tomaten auf seinem Speiseplan ständen.
Die Einsamkeit veranlasst Carlo schließlich, in Berichten alles Erlebte niederzuschreiben, wobei er einen nie erbauten Hof und nicht gefundenes, frisches Wasser erwähnt. Seine Aufzeichnungen steckt er in einen Postkasten am Strand. Tatsächlich kommt ein Schiff, das er aber verpasst, und holt die Post ab. Auf diese Weise erfahren viele Zeitungsleser von seinem Ausstieg aus dem zivilisierten Leben. Marie Wittermann liest die Berichte auch und überredet ihren Mann Heinzel, alles zu verkaufen und ebenfalls nach Floreana überzusiedeln. Wenn Carlo die beiden, die bald Nachwuchs bekommen, schon als Eindringlinge empfindet, so erst recht, als sich eines Tages auch die Baroness Bertha de Bousquet mit fünf ihrer Liebhaber auf der Insel breit macht.
In dem Roman „Das schwarze Paradies“ überwiegt der Erzählstil. Eine wörtliche Rede kommt so gut wie gar nicht vor, und bei den wenigen Ausnahmen sind diese nicht durch entsprechende Satzzeichen kenntlich gemacht. Etwa bis zur Buchmitte ist Carlo alleine auf Floreana, erst dann kommt das Paar hinzu. Die bis dahin in friedlicher Eintracht lebenden drei Erwachsenen müssen sich erst im letzten Drittel des Romans mit der Baronesse und ihrem Herrschaftsanspruch auseinandersetzen.
Neben der Erzählung, wie es den Handlungspersonen ergeht, hat die Autorin in einigen Abschnitten die Gedanken aus der Sicht der Insel wiedergegeben, was in Anbetracht einer toten Materie ungewöhnlich ist. Der Insel hat sie die Fähigkeit der Beobachtungsgabe ihrer Eindringlinge gegeben. Und auch Carlo wird Zeuge von befremdlichem Geschehen, wenn sich ihm wie durch Geisterhand öffnende Felsen präsentieren, da, wo ihm eine zuvor noch unpassierbare Stelle plötzlich einen Pfad weist. Auf den Punkt gebracht könnte man den Roman „Das schwarze Paradies“ von Ida Hegazi Høyer mit einem Sog oder Strudel vergleichen, aus dem man sich nur entweder sofort, oder nicht eher befreien kann, bevor man den Grund erreicht hat. Denn wem der literarische, anspruchsvolle Schreibstil nicht liegt, wird das Buch schnell beiseitelegen. Wer sich aber darauf einlässt, kommt davon nicht mehr los und ist auf den Fortgang der Handlung gespannt.
Das schwarze Paradies von Ida Hegazi Høyer
Residenz Verlag 2017
Hardcover mit Schutzumschlag
224 Seiten
ISBN 978-3-7017-1686-9