Berlin – Jablonskistraße – 1940: Das ist der Schauplatz in Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“. Der überwiegende Teil des deutschen Volkes lässt sich nur zu gerne täuschen und glaubt an den großen Sieg. Die Juden haben es immer schwerer. Es ist die Zeit, in der jeder etwas zu verbergen hat und sich schnell um Kopf und Kragen reden kann, wenn er nicht aufpasst. Einschüchterungen und Ängste sind an der Tagesordnung und die Luft ist wie bei einem drohenden Gewitter damit geladen. Für jeden spürbar. Niemand kann mehr jemandem trauen, die Kinder verraten ihre Eltern und die Gestapo ist überall.
So haben auch die Bewohner eines Mietshauses in der Jablonskistraße in Berlin mit ihrem Schicksal zu kämpfen. Da gibt es die Brüder Persicke, die sich je nach Situation schnell neu orientieren können und dank bester Beziehungen zur Partei immer mit einem blauen Auge davon kommen. Der Hausrat der alten Jüdin Rosenthal wandert als Diebesgut von einem zum anderen. Obwohl der Kammergerichtsrat Fromm ihr Unterschlupf gewährt, zieht es sie doch wieder in ihre Wohnung und damit ins Verderben. Emil Barkhausen treibt ein doppeltes Spiel und lässt sich gerne für seine Bespitzelungen bezahlen, was jedoch einen anderen Ausgang nimmt, als er gedacht hat. Enno Kluge, dessen fleißige Frau Eva als Postbotin auch gut allein zurechtkommt, will nun ganz schlau sein. Obwohl er Kommissar Escherich immer wieder entwischen kann, sieht er sich letztlich doch von ihm in die Enge getrieben. Escherich selbst untersteht dem Sadisten Prall, seines Zeichens SS-Obergruppenführer. Von der Karriereleiter gestürzt, muss er Erniedrigungen ertragen. Nachdem alle noch einmal für kurze Zeit zu ihm aufschauen, wird ihm seine Menschlichkeit, die in diesen Tagen nicht gefragt ist, zum Verhängnis.
Das Ehepaar Anna und Otto Quangel erreicht die Nachricht von ihrem gefallenen Sohn. Mit Trudel, der Verlobten ihres Sohnes, trauern sie sehr und finden nicht mehr in ihr altes Leben zurück. Das Ehepaar will nicht zur Untätigkeit verdammt sein und beschließt, das deutsche Volk durch Karten wachzurütteln. Fleißig schreiben sie ihre Sprüche, die sich gegen den Führer und gegen den Krieg richten und bringen gemeinsam die Zettel in Umlauf. Immer wieder begeben sie sich dabei in höchste Gefahr und dürfen niemandem von ihrer Untergrundaktivität erzählen. Doch unbeabsichtigt erfährt Trudel davon und gerät dadurch auch in Gefahr. Gelingt es dem Ehepaar, unentdeckt zu bleiben? Wie werden die Karten von den Findern aufgenommen?
Das mutige Unterfangen von Anna und Otto Quangel war Ausgangspunkt für die Entstehung von Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“, der sich mit der finstersten Zeit der deutschen Geschichte befasst. Im richtigen Leben hießen sie Elise und Otto Hampel. Bereits in dem von Fallada selbst geschriebenen Vorwort ahnt der Leser, was ihn in dem Roman erwartet. Der Autor hat eindrucksvolle Charaktere geschaffen, wobei die Skrupellosigkeit einiger Figuren dem Leser unter die Haut geht. Fallada hat sehr eindrucksvoll aufgezeigt, wozu Menschen fähig sind, wenn sie in die Enge getrieben werden. Was Menschen alles glauben, wenn sie nur genug Hoffnung haben und wie schnell sie bereit sind, einen Verrat zu begehen, um sich selbst zu retten. Wie schnell ein schlechtes Gewissen oder eine unbedachte Äußerung zur Falle werden können. Wie schnell der Freund von heute zum Feind von morgen werden kann. Wie viele Menschen egoistisch und feige sind und gar nicht bedenken, dass sie durch ihr Schweigen ihre Zustimmung gegeben haben! Mit äußerstem Sarkasmus vermittelt der Autor, wie politisch Unzuverlässige im KZ zuverlässig gemacht werden und wie die Nazis vielen nicht nur die Lebensfreude, sondern auch das Leben selbst genommen haben. Der Roman „Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada ist eine stille Anklage an all diejenigen, die auch heute noch nichts sehen und hören wollen und die keine Gewissensbisse plagen, wenn sie nichts unternehmen. Der Klassiker hat auch nach über sechzig Jahren nichts von seiner Aktualität verloren. Er soll dem Leser ins Bewusstsein rücken, dass auch mit kleinstem Widerstand eine Veränderung herbeigeführt werden kann und nicht einfach nur als unbedeutend abgetan werden sollte.
Jeder stirbt für sich allein von Hans Fallada
Aufbau Verlag 2011
Hardcover mit Schutzumschlag
704 Seiten
ISBN 978-3-351-03349-1