Die ehemals beim Wirtschaftsdezernat beschäftigte IT-Beraterin Marie Wagenfeld erhält von dem Franzosen Patisse, dessen Lebensgefährtin von Maries Bruder Erik ermordet wurde, ein Foto. Patisse ist davon überzeugt, dass darauf auch Titus Scherf neben zwei bereits entlarvten Komplizen von Erik, der bei seiner Verhaftung ums Leben kam, zu sehen ist. Als IT-Spezialist in Spionagesoftware und Überwachungstechnik bewandert, hat sich Patisse in Maries Laptop gehackt, um verfolgen zu können, ob sie die Ermittlungen weiter betreibt. Als am Ufer der Spree in Berlin zwei Frauen ermordet aufgefunden werden, die wie die Opfer von Erik zu grausamen Kunstwerken nach Vorbildern berühmter Gemälde oder Skulpturen drapiert wurden, trifft sich Marie in Berlin mit Kommissar Kellermann aus Frankfurt und dessen Kollege Kommissar Winkovski.
Um die Morde aufzudecken, besucht Marie die Universität, auf der ihr Bruder studiert hat und trifft dort auf den Dozenten Professor Sebastian Klapproth, der Zugang zu alten Bewerbungsmappen hat. Tags darauf hat sie einen Termin mit Stallenberg, Aufsichtsratsvorsitzender der Immobilienbank Sega Invest in Frankfurt, dessen Sohn von Erik und seinen Komplizen, ehemaligen Mitarbeitern von Sega Invest, getötet wurde. Marie hofft auch von Kreutzer, dem Besitzer des SM-Klubs Dark Magic, in dem ihr Bruder einst verkehrte, mehr zu erfahren. Als Kellermann Marie mit der Nachricht eines weiteren Mordes konfrontiert, reift in ihr ein schrecklicher Verdacht: Die jeweils zu Kunstwerken drapierten neuen Toten entsprechen jeweils den von ihr zuvor betrachteten berühmten Gemälden, was nur bedeuten kann, dass der Mörder sie beobachtet. Marie muss mehr über Titus Scherf herausfinden und reist dafür bis nach Namibia.
Kristin Lukas lässt ihre Protagonistin in ihrem Thriller Das Böse, das du bist* in der Ich-Form berichten. In kursiv gedruckten Kapiteln spricht der Mörder zu Marie, als wäre sie bei ihm, was aber natürlich nicht der Fall ist. Für den Plot sind der Autorin die Fachkenntnisse von Nutzen, die sie als Professorin für Immobilienmanagement und Projektentwicklung besitzt. Neben recht ausführlichen Schilderungen dieser Thematik hat sie äußerst detailliert berühmte Gemälde, Hintergrundwissen zu diesen Werken sowie das Leben einiger bedeutender Künstler beschrieben, allen voran der norwegische Maler Edvard Munch und Sigmar Polke. Wer nicht gerade Kenner der Kunstszene ist, dürfte darüber erstaunt sein, dass der bedeutende englische Porträtmaler Lucian Freud ein Enkel von Sigmund Freud war, dem Begründer der Psychoanalyse. Zudem finden sich in dem Buch interessante Informationen zu Zahlungsmitteln und römischen Kaisern sowie eine Menge Lokalkolorit mit beispielsweise einer Erwähnung des Cafés Bravo in Berlin mit exakter Adresse.
Ohne Zweifel handelt es sich bei Das Böse, das du bist* um einen intelligenten Plot, für den Kristin Lukas hervorragende Recherchen betrieben hat und den sie in flüssigem Schreibstil sowie auffallend abwechslungsreicher Sprache verfasst hat. In Grenzen halten sich einige Grammatik- oder einfach nur Flüchtigkeitsfehler. Da der Thriller ohne Action auskommt und Gespräche die Ermittlungen dominieren, die sich vielfach um Kunst oder römische Kaiser drehen, zieht sich das Geschehen mitunter in die Länge. Es kommt keine richtige Spannung auf, weil selbst die Betrachtungen der Toten oder Momente, in denen sich Marie in Gefahr wägt, zu nüchtern wirken, was sich leider erst auf den letzten Seiten ändert. Immerhin kann der Schluss mit einer überraschenden Auflösung aufwarten.
Das Böse, das du bist von Kristin Lukas
Twentysix 2020
Taschenbuch
328 Seiten
ISBN 978-3-740-77185-0