Blaue Nächte von Rebekka Knoll

Blaue NächteAls ihre Mutter erkrankt, soll Milena vorübergehend im Klub Blue Nights aushelfen, der nach dem Tod ihres Vaters von der Mutter geführt wird. Eines Abends möchte ein etwa siebzigjähriger Mann in den Klub. Er spricht von begangenen riesigen Fehlern und will die letzte Gelegenheit wahrnehmen, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Offensichtlich ist er verwirrt und wird zunächst vom Türsteher, dann auch von Milena abgewiesen. Plötzlich bricht er zusammen und wird mit einem Rettungswagen abtransportiert. Als daraufhin eine ältere Dame in einem azurblauen Kleid aus dem Blue Nights tritt, erinnert sich Milena, sie zuvor an der Bar beobachtet zu haben. Vermutlich wollte der Mann zu ihr, mutmaßt Milena, und versucht sie vergeblich aufzuhalten.

Als Milena endlich nach Hause kommt, ist ihre Nase gebrochen, weil es wieder einmal eine Schlägerei gab. Völlig demotiviert gesteht sie ihrer Mutter, dass sie nicht mehr weitermachen und sich lieber auf das von ihrem Großvater übernommene Antiquariat konzentrieren möchte. Obwohl diese Verständnis für den Wunsch ihrer Tochter hat, bittet sie darum, erst das von Emil für Lotte im Jahr 1967 geschriebenen Büchlein „Blaue Nächte“ zu lesen. Sollte Milena danach immer noch aufhören wollen, soll ihre Entscheidung akzeptiert werden.

Der Roman „Blaue Nächte“ von Rebekka Knoll handelt von zwei tragischen Liebesgeschichten. Zum einen wartet die dreißigjährige Milena seit zehn Jahren auf eine Entscheidung von Paul. Immer wieder schweifen ihre im Erzählstil wiedergegebenen Erinnerungen zu gemeinsam verbrachten Zeiten mit Paul: An ein Treffen in einem Taubenschlag, der schon ihrem Großvater gehörte; an den ersten Kuss oder einen Spaziergang am See. Sie weiß auch noch ganz genau, dass sie vor zehn Jahren, nachdem Paul ihr ein Geständnis machte, eine schwere Entscheidung traf und sie noch immer auf seine Antwort wartet, die mit der Ankunft ihrer Lieblingsbrieftaube im heimischen Taubenschlag erfolgen sollte.

Die zweite tragische Liebesgeschichte hat die Autorin in der Zeit der sechziger Jahre angesiedelt, wobei sie kurz an den Vietnamkrieg erinnert und an den Besuch des Schahs aus Persien im Jahr 1967 in Berlin, bei dem Benno Ohnesorg durch einen Schuss getötet wurde. In der Ich-Form schreibt Emil in einem Büchlein von seiner verzweifelten Suche nach Lotte im Klub Blue Nights, nachdem er aufgrund einer Erkrankung zu spät kam. Seine Erinnerungen gehen zurück bis zu einer Zeit, da sie sich als Kinder verlobt haben, an die gemeinsame Schulzeit in Eschenbach und das Kauen von Kaugummi, an den ersten Kuss mit vierzehn Jahren, ihren Wegzug und seine Ausbildung zum Schornsteinfeger. Obwohl Emil immerzu an Lotte denkt, verliebt er sich in eine andere, und als er Lotte eines Tages wieder trifft, ist nichts mehr wie es war. Trotz der Umstände geben sie sich ein Versprechen, das sie zweiundfünfzig Jahre später einlösen wollen.

Das Blue Nights hat ein reales Vorbild, den Kettel-Club in Schauenburg, wo auch die mehrfach im Roman zitierte Band Petards auftrat und in dem aktuell Revival-Konzerte stattfinden. Durch die Rückblicke von Milena und Emil, die jeweils einer anderen Generation angehören, geht es im Plot chronologisch Auf und Ab. Zudem lässt der anspruchsvolle Schreibstil keine Eintönigkeit aufkommen, wenn beispielsweise Emil und Lotte während eines Spaziergangs ein Gespräch führen und auf eine Frage von Lotte statt einer Antwort von Emil seine Erinnerung an eine Frage seines Onkels folgt. Obwohl bereits Milenas Großvater an die eine große Liebe glaubte, und auch ihre Mutter immer nur den einen Mann liebte, wirkt der Plot zu keinem Zeitpunkt trivial oder kitschig. Im Kern sagt der Roman von Rebekka Knoll aus, dass man Entscheidungen nicht unnötig hinauszögern, andererseits aber auch keine voreiligen Entschlüsse fassen sollte, die später bereut werden könnten.

Blaue Nächte von Rebekka Knoll

Blaue Nächte
Penguin Verlag 2020
Klappenbroschur
336 Seiten
ISBN 978-3-328-10368-4

Bildquelle: Penguin Verlag
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