Ein rätselhafter Besucher im Blue Nights
Als Milenas Mutter erkrankt, soll sie vorübergehend im Klub Blue Nights aushelfen, den ihre Mutter nach dem Tod des Vaters weiterführt. Eines Abends möchte ein etwa siebzigjähriger Mann den Klub betreten. Er spricht von „riesigen Fehlern“, die er begangen habe, und davon, dass dies seine letzte Gelegenheit sei, alles wieder in Ordnung zu bringen. Offensichtlich verwirrt, wird er zunächst vom Türsteher und schließlich auch von Milena abgewiesen. Plötzlich bricht er zusammen und wird mit einem Rettungswagen abtransportiert.
Kurz darauf tritt eine ältere Dame in einem azurblauen Kleid aus dem Blue Nights. Milena erinnert sich, sie zuvor an der Bar gesehen zu haben. Vermutlich wollte der Mann zu ihr, mutmaßt Milena, und versucht vergeblich, sie aufzuhalten.
Milenas Wendepunkt
Als Milena schließlich nach Hause kommt, ist ihre Nase gebrochen – wieder einmal gab es eine Schlägerei. Völlig demotiviert gesteht sie ihrer Mutter, dass sie nicht mehr weitermachen möchte und sich lieber auf das von ihrem Großvater übernommene Antiquariat konzentrieren will. Ihre Mutter zeigt Verständnis, bittet Milena jedoch, zuvor das Buch Blaue Nächte zu lesen, das Emil im Jahr 1967 für Lotte geschrieben hat. Sollte Milena danach immer noch aufhören wollen, werde sie ihre Entscheidung akzeptieren.
Zwei tragische Liebesgeschichten
Der Roman Blaue Nächte* von Rebekka Knoll erzählt zwei ineinander verwobene Liebesgeschichten.
Die erste handelt von der dreißigjährigen Milena, die seit zehn Jahren auf eine Entscheidung von Paul wartet. Immer wieder schweifen ihre Gedanken in erzählerischer Form zu gemeinsamen Momenten: ein Treffen im Taubenschlag ihres Großvaters, der erste Kuss, ein Spaziergang am See. Sie erinnert sich genau daran, wie sie nach Pauls Geständnis eine schwere Entscheidung traf – und seither auf seine Antwort wartet, die mit der Ankunft ihrer Lieblingsbrieftaube erfolgen sollte.
Die zweite Geschichte spielt in den 1960er-Jahren. Die Autorin erinnert kurz an den Vietnamkrieg und den Besuch des Schahs aus Persien in Berlin 1967, bei dem Benno Ohnesorg erschossen wurde. Emil schreibt in der Ich-Form über seine verzweifelte Suche nach Lotte im Blue Nights, nachdem er krankheitsbedingt zu spät kam. Seine Erinnerungen reichen zurück bis zur Kindheit: ihre Verlobung, die gemeinsame Schulzeit in Eschenbach, das Kaugummikauen, der erste Kuss mit vierzehn, ihr Wegzug und seine Ausbildung zum Schornsteinfeger. Obwohl Emil stets an Lotte denkt, verliebt er sich in eine andere. Als er Lotte wiedertrifft, ist nichts mehr wie zuvor. Dennoch geben sie sich ein Versprechen, das sie zweiundfünfzig Jahre später einlösen wollen.
Realität und Fiktion im Blue Nights
Das Blue Nights hat ein reales Vorbild: den Kettel-Club in Schauenburg, in dem auch die im Roman mehrfach zitierte Band Petards auftrat und heute Revival-Konzerte stattfinden. Durch die Rückblicke von Milena und Emil, die unterschiedlichen Generationen angehören, verläuft die Handlung in einem rhythmischen Auf und Ab. Der anspruchsvolle Schreibstil verhindert jede Eintönigkeit – etwa wenn Emil und Lotte während eines Spaziergangs ein Gespräch führen und Emil auf eine Frage von Lotte mit einer Erinnerung an seinen Onkel reagiert, statt direkt zu antworten.
Eine Botschaft über Liebe und Entscheidungen
Obwohl bereits Milenas Großvater an die eine große Liebe glaubte und auch ihre Mutter stets nur einen Mann liebte, wirkt der Plot zu keinem Zeitpunkt trivial oder kitschig. Im Kern vermittelt der Roman von Rebekka Knoll, dass man Entscheidungen nicht unnötig hinauszögern sollte – aber ebenso wenig voreilige Entschlüsse treffen darf, die man später bereut.
Blaue Nächte von Rebekka Knoll
Penguin Verlag 2020
Klappenbroschur
336 Seiten
ISBN 978-3-328-10368-4