Berufswunsch: Mit Menschen arbeiten – aber wie?
Viele junge Menschen entscheiden sich für einen Beruf mit Kundenkontakt, weil sie sich selbst als besonders kontaktfreudig einschätzen. Doch was auf dem Papier gut klingt, wird in der Realität oft unterschätzt: Der tägliche Umgang mit Kundschaft kann nervenaufreibend, absurd und frustrierend sein.
In ihrem Buch Tüte oder so was* gibt Ulrike Sterblich einen pointierten Einblick in die skurrilen Alltagssituationen von Dienstleistenden, Verkäuferinnen und Servicekräften. Sie schildert prägnant, wie herausfordernd und oft auch irritierend der Umgang mit Kundinnen sein kann.
Klassiker der Kundenkommunikation – oder: Wie man Verkäufer*innen wahnsinnig macht
Besonders ärgerlich sind die alltäglichen, scheinbar harmlosen Bemerkungen von Kundinnen – etwa der berüchtigte Satz: „Haben Sie vielleicht noch ’ne Tüte oder so was?*“
Sterblich fragt zurecht: Was bitte soll „oder so was“ in diesem Kontext bedeuten?
Auch andere Redewendungen gehören zum Repertoire des kollektiven Kundenwahnsinns:
- Der offensichtlich freie Taxifahrer wird gefragt: „Sind Sie frei?“
- Mitarbeitende in Callcentern werden mit „Ich hab da mal ’ne Frage…“ begrüßt – ein Satz, der angesichts des Service-Kontexts wenig überraschend daherkommt, aber auf Dauer nerven kann.
Sterblich zeigt: Nicht immer ist der Kunde König – manchmal ist er einfach nur anstrengend.
Kritik an Ton und Perspektive
Trotz des interessanten Themas überzeugt das Buch laut Textkritik nur bedingt. Die Kritikpunkte:
- Der Ton ist wenig humorvoll, eher abwertend.
- Die Darstellung ist einseitig, fast anklagend – die Kundinnen werden pauschal als Problem dargestellt*, ohne differenzierte Betrachtung.
- Die Perspektive beschränkt sich ausschließlich auf die Sicht der Dienstleistenden, sodass eine ausgewogene Darstellung fehlt.
Was als humorvoller Erfahrungsbericht gedacht war, wird so zur Anklageschrift gegen die Kundschaft. Leser*innen mit direktem Kundenkontakt könnten sich darin wiederfinden – ob sie das aber auch unterhaltsam finden, bleibt fraglich.
Fazit: Eine verpasste Chance mit (unfreiwilligem) Lehrwert
Tüte oder so was* bietet viele Beispiele dafür, wie Kommunikation im Kundenkontakt schieflaufen kann. Die stärkste Botschaft ist am Ende vielleicht nicht beabsichtigt: Auch Autorinnen sollten reflektieren, wie sie ihre Botschaft vermitteln – damit das Buch nicht selbst zum Negativbeispiel wird.*
Tüte oder so was von Ulrike Sterblich
Goldmann Verlag 2010
Taschenbuch
192 Seiten
ISBN 978-3-442-15609-2