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Sweetland von Michael Crummey

SweetlandDer Roman Sweetland* erzählt die Geschichte Neufundlands, vor deren Südküste der eisige und nährstoffreiche Labradorstrom auf den wärmeren Golfstrom trifft und wo sich einzigartige, unvorstellbare Kabeljaugründe bildeten. Die Menschen entdeckten, dass sich der Fisch leicht gesalzen und luftgetrocknet über viele Jahre halten kann, selbst in der Hitze der Tropen, was bereits die spanischen Konquistadoren auf ihren langen Reisen zu nutzen wussten. Seit Jahrhunderten lebten die Menschen von dem Fischreichtum, doch von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des neuen Jahrtausends setzte eine Überfischung ein, die von der kanadischen Regierung zunächst nicht ernst genommen wurde. Erst, als es zu spät war, verhängte man ein Fangverbot, in der Folge verloren mehr als dreißigtausend Menschen ihre Arbeit und die Dörfer starben aus. Für die Bewohner war die Welt eine andere geworden.

Der inzwischen pensionierte Moses Louis Sweetland geht auf die siebzig Jahre zu und war Fischer, bevor er Leuchtturmwärter auf der nach seiner Familie benannten Insel Sweetland war. Seine Vorfahren waren seit mindestens zweihundert Jahren Fischer und ernährten sich von Pökelfleisch und Wurzelgemüse. Die jüngeren Bewohner zieht es mittlerweile auf Bohrinseln, in die Hauptstadt St. John’s oder auf das Festland. Die Regierung bietet den Inselbewohnern ein großzügiges Paket an, wenn sie sich in der Provinz niederlassen. Außer Moses weigern sich nur noch Queenie und Loveless zu unterschreiben. Sweetlands Nichte Clara hat das Angebot bereits angenommen, obwohl ihr stumpfsinniger Sohn Jesse bei Sweetland bleiben will. Als auch noch Queenie und Loveless der Umsiedlung zustimmen, trifft Moses trotz der gegen ihn gerichteten anonymen Drohungen eine Entscheidung und sieht nur noch einen Ausweg.

Michael Crummey, der in St. John’s auf Neufundland lebt, hat in den Plot Kapitel eingefügt, in denen sein Protagonist ein Rettungsboot mit Überlebenden im Schlepptau hat. Damit erinnert er an die Rettung von 156 Flüchtlingen aus Sri Lanka im Jahr 1986 durch einen Fischer. Von diesen Einschüben abgesehen, kommt er immer wieder in Rückblicken vom eigentlichen Handlungsgeschehen ab und erzählt vom Leben der Inselbewohner und von Moses, wie dieser als junger Mann bei einem Unfall in Toronto schwer verletzt wurde und mit Effie Priddle so gut wie verlobt war. Es wird von ihren Söhnen Berry und Keith Priddle berichtet, von Sweetlands schwangerer Schwester Ruthie und seinem Bruder Hollis, der durch ein Unglück zu Tode kam, von dem Geistlichen Reverend, dem blinden Pilgrim sowie Duke Fewer, mit dem er einen Büffel erlegt hat.

Neben der Frage, ob die Regierung neben der Strom-, nicht auch die Wasserversorgung gekappt hätte, irritieren zunächst fehlende Zeitangaben, die wie die nicht sofort durchschaubaren Familienverhältnisse erschweren, dass sich der Leser in den Plot hineinversetzen kann. Doch auf eine schwer erklärbare Weise ist er am Fortgang der Handlung interessiert und taucht zunehmend völlig in die Geschichte ein. Von dem entbehrungsreichen Leben und Sweetlands armseliger Lebensgeschichte wird er magisch angezogen und leidet förmlich mit dem Protagonisten, der von sich behauptet starrköpfig zu sein, der Loveless liebevoll einen „elenden Mistkerl“ schimpft und zu Duke Fewer „ach, leck mich doch“ sagt, wenn er nicht zugeben will, dass dieser recht hat.

Michael Crummey macht in seinem Roman Sweetland* mit bewegenden Szenen deutlich, was Menschen aus Verzweiflung auszuhalten vermögen. Nachdem sich sein Protagonist für die Einsamkeit entschieden hat, kämpft er dagegen an, den Verstand zu verlieren. Mit den wenigen ihm noch zur Verfügung stehenden Vorräten führt er einen ausweglosen Kampf, Realität und Fantasie gehen ineinander über und er spricht, in der endlosen Stille gefangen, mit den Toten. Das vom Autor in eindringlichen Worten zu Papier gebrachte Werk des Schicksals tausender Fischer, für das der bis zum Umfallen kämpfende Moses Louis Sweetland stellvertretend steht und denen Michael Crummey mit dem Roman besonderen Tribut zollt, kann in einer Besprechung nur annähernd gewürdigt werden – Chapeau!

Sweetland von Michael Crummey

Sweetland
Übersetzung von Peter Groth
Mitteldeutscher Verlag 2020
Flexicover
400 Seiten
ISBN 978-3-96311-311-6

Bildquelle: Mitteldeutscher Verlag
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