Der 29-jährige promovierte Biochemiker Dr. Antal von Némethy aus Wien erhält im Juni 1975 von Alexander Cherascu ein großzügiges Stipendium und nimmt seine Arbeit als Postdoc in dessen privatem Krebsforschungszentrum in New York auf. Von seiner Kollegin Ilona Kováčová, die wie er ungarische Wurzeln hat, erhofft er sich einen beruflichen Ratschlag. Die beiden kommen sich privat immer näher, doch gibt sie ihm immer mehr Rätsel auf. Schließlich behauptet sie, ihr Chef Cherascu, den alle nur Sandor nennen, hätte mit ihrer Entdeckung Karriere in den USA gemacht. Nach drei Monaten am Institut wird Antal eines Morgens überraschend vom Gerichtsmediziner Dr. Pereira mit dem Tod seiner geliebten Ilona konfrontiert.
In einem Abschiedsbrief schreibt Ilona von einem Gespräch, das sie mit Dr. Marika Varga geführt hat, und Antal hofft, von ihr mehr über die Umstände zu erfahren, die zum Tod von Ilona geführt haben. Von Sandors Sekretärin Cathy erfährt Antal im Vertrauen, dass der Postdoc Kim Lee aus Korea plätzlich wegen roter Flecken im Gesicht und an den Händen abgereist ist. Als Antal in Wien Ildikó aufsucht, die Zwillingsschwester seiner toten Geliebten, will er die Reise mit einem Besuch bei seinem Vater verbinden, den er viel zu sehr vernachlässigt hat. Der ohnehin von einem Tinnitus geplagte Antal erfährt durch den Tod seines Vaters den zweiten Schicksalsschlag innerhalb einer Woche und muss sich obendrein noch mit einer Umweltschutzklage auseinandersetzen, die dem väterlichen Unternehmen droht. Während eine sich ausbreitende Cryptococcus-Infektion, gegen die fast keine Antibiotika helfen, eine Pandemie auslösen könnte, wird Antal zum Verhängnis, nicht auf den gut gemeinten Ratschlag von Dr. Pereira gehört zu haben.
Gottfried Schatz versteht es in seinem Roman „Postdoc“ von Anfang an, den Leser auf den weiteren Handlungsverlauf neugierig zu machen. In den ausführlichen, interessanten und nie langweiligen Lebensläufen der Romanfiguren gibt er jede Menge Hintergrundwissen weiter. So lässt er die wirtschaftliche Situation in Ungarn nach der Revolution 1956 einfließen, schreibt von der Judenverfolgung, dem Prager Frühling 1968, der Ermordung Martin Luther King sowie vom Vietnamkrieg und den Napalmbomben. Aber auch Greenpeace unterzieht der Autor einer kritischen Betrachtungsweise, und zumindest lieben seine Protagonisten klassische Musik.
Da Gottfried Schatz selbst promovierter Biochemiker ist und unzählige Auszeichnungen für seine wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere für die Mitentdeckung der mitochondrialen DNA, entgegennehmen durfte, ist es ihm natürlich wichtig gewesen auch Tierversuche zu thematisieren. Der Autor macht deutlich, wie resigniert ein Forscher nach jahrelanger Arbeit ist, wenn der Erfolg ausbleibt und dass es ein Unterschied ist, was in einem Lehrbuch steht und was in der Forschung vermittelt wird. Zum Zeitpunkt der Handlung, im Jahr 1975, kannte die Welt noch kein AIDS oder HIV. Anfangs fiel lediglich, wie im Roman beschrieben, das gehäufte Auftreten des Pilzes Cryptococcus unter schwulen Männern auf. Die Kryptokokkose ist ein Zeichen von massiver Immunschwäche, fordert jedes Jahr viele Opfer und kann ein erster Hinweis auf HIV sein. Der mitreißende Roman „Postdoc“ ist in einer sehr flüssigen Sprache geschrieben und trotz eines unerwarteten, traurigen Endes wird er nicht nur naturwissenschaftlich interessierte Leser begeistern.
Postdoc von Gottfried Schatz
Styria Verlag 2014
Hardcover mit Schutzumschlag
240 Seiten
ISBN 978-3-222-13486-9