Vom Fußballtraum zur literarischen Karriere
Von einer Torwart-Karriere hat Max Frisch als Junge geträumt – gefeiert wurde er später jedoch nicht als Fußballstar, sondern als Schriftsteller. Die aufwändig recherchierte Biografie Jetzt nicht die Wut verlieren* von Ingeborg Gleichauf zeichnet anhand seiner Tagebucheintragungen und Briefe den Weg eines außergewöhnlichen Menschen nach, der trotz eines bürgerlichen Lebens unangepasst war und sich stets als Außenseiter fühlte.
Sprache als Spiegel der Erinnerung
Max Frisch, der die Großschreibung konsequent missachtete, verarbeitete in seinen Werken viele Kindheitserfahrungen. Gesammelte Erkenntnisse, Eindrücke und sämtliche Wahrnehmungen wurden für ihn zu Rohmaterial für neue Texte – seien es Theaterstücke oder Romane. Seine Protagonisten waren sein Sprachrohr.
Von seinen Leserinnen und Lesern erwartete Max Frisch nach eigener Aussage, wie Gleichauf berichtet, einiges – erläuternde Kommentare hielt er daher für überflüssig. Die Biografie schildert nicht nur seine literarischen Beweggründe, sondern gewährt auch Einblicke in sein Familienleben.
Architekt wider Willen und rastloser Neuanfänger
Bevor Frisch sich ganz der Schriftstellerei widmen konnte, verdiente er seinen Lebensunterhalt als Architekt. Die Trennung von seiner Familie plagte ihn über Jahre mit Gewissensbissen. Immer wieder war er auf der Suche nach einem Neuanfang – auch seine Beziehungen und die damit verbundenen Probleme zwischen Mann und Frau fanden Eingang in seine literarischen Werke.
Leben und Literatur im Dialog
Ingeborg Gleichaufs Biografie ist zugleich eine Interpretation von Frischs Werken. Die Autorin stellt konsequent Bezüge zwischen Leben und Literatur her und untermauert ihre Aussagen mit Zitaten. Sie schreibt, dass Frisch „mit den Augen geschrieben hätte“ – etwa im Hinblick auf die Trümmerlandschaften und Flüchtlingsschicksale nach einem Besuch im Jahr 1946 in Deutschland.
Auch Jahre später bezog Frisch politisch Stellung – etwa zum Vietnamkrieg oder zu den Studentenprotesten der 1960er Jahre. Viele Passagen der Biografie regen zum Nachdenken an und laden dazu ein, Antworten auf die Fragen zu suchen, die der Schriftsteller selbst aufgeworfen hat.
Leseempfehlung für Neugierige und Nachdenkliche
Wer neugierig geworden ist und mehr über den alles hinterfragenden Schriftsteller erfahren möchte – und wissen will, warum wir Jetzt nicht die Wut verlieren sollten –, dem sei diese hervorragend gelungene Biografie wärmstens empfohlen. Neben den klugen inhaltlichen Verknüpfungen überzeugt das Werk auch durch ein sorgfältiges Lektorat und stilistische Präzision.

Ingeborg Gleichauf
Jetzt nicht die Wut verlieren
dtv 2013
Taschenbuch
272 Seiten
ISBN 978-3-423-62538-8