12 Lebensgeschichten von Frauen, die nicht geheiratet haben!
Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2009 in Deutschland 11634 Pflegeheime in öffentlicher, freigemeinnütziger und privater Trägerschaft mit insgesamt 845007 verfügbaren Plätzen. In Anbetracht der demografischen Veränderungen im Hinblick auf die Lebenserwartung ist davon auszugehen, dass weitere hinzukommen. Die Autorin Daniela Kuhn hat mit zwölf Bewohnern, von denen die Jüngste über siebzig und die Älteste fast einhundert Jahre ist, des Altersheims Klus Park in Zürich-Hottingen Gespräche geführt und die Ergebnisse in ihrem Buch „Ledig und frei“ zusammengefasst.
Alle zwölf Befragten verbindet, dass sie nie geheiratet und keine Familie gegründet haben. In diesem Zusammenhang interessierte sich Daniela Kuhn besonders für die Beweggründe, die für ein selbstständiges Leben sprachen und tatsächlich gab nur eine Bewohnerin an, dass sie gerne geheiratet hätte. Die anderen glaubten entweder, durch Kinder zu sehr eingeengt zu sein bzw. haben bewusst auf Kinder verzichtet, um frei zu bleiben. Eine Nonne verzichtete auf Ehe und Familie, weil sie nicht so viel Sorgen wie ihre Mutter haben wollte. Als Grund wurde auch genannt, dass andere Menschen und der Beruf wichtiger als eine Familie waren und insgesamt konnten sich die alleinstehenden Frauen viel eher Reisen gönnen. So haben einige Frauen Flüge in ferne Länder machen können, was zur damaligen Zeit noch zur absoluten Ausnahme zählte.
Die Autorin fragte in den Gesprächen nach der gesellschaftlichen Akzeptanz, die diese Frauen erfahren haben und auch, wie sie zu dem Begriff „Fräulein“ standen. Neben dem persönlichen und beruflichen Werdegang sind einige auch kurz auf die Probleme der Weltwirtschaftskrise 1929 und den Zweiten Weltkrieg eingegangen. Das wurde von den Frauen natürlich unterschiedlich erlebt, je nach Geburtsjahr, die zwischen 1913 und 1936 lagen.
Daniela Kuhn schreibt in der Erzählform, doch hat sie die Lebensgeschichten zum Teil durch Wiedergabe eines Interviews ergänzt. Der Leser erfährt nicht nur, wie sich die Frauen durchs Leben geschlagen haben, sondern auch, auf welchen Wegen beispielsweise der Weißschimmelkäse in die Schweiz gelangte. Kaum zu glauben ist, dass es eine „Anstalt für krüppelhafte Kinder“ gegeben haben soll, in der alle Kinder um vier Uhr auf die Toilette zum „stuhlen“ gebracht wurden und dass das am Sonntag gänzlich verboten war! Traurig auch, wie Behinderte im Gepäckwagen der Bahn bei eisigen Temperaturen ausharren mussten.
Annette Boutellier hat für das Buch „Ledig und frei“ ganzseitige Fotos von den Heimbewohnerinnen gemacht, mit denen sich der Leser in doppeldeutiger Hinsicht ein besseres „Bild“ von den Personen machen kann. Leider hat die Autorin Daniela Kuhn dem Leser keine weiteren Informationen über das Altersheim Klus Park, das die Bezeichnung Senioren-Residenz trägt, gegeben. Denn in diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren, ob die Frauen, die sich gegen eine Familie entschieden haben, im Alter eher in der Lage sind, die höheren Kosten für ein komfortableres Heim aufzubringen.