Reise ins walisische Herz: Der Romanstart
Lily ist studentische Hilfskraft der promovierten Molekularbiologin Zoe, die sich vor wenigen Tagen von ihrem Freund Tobi getrennt hat – er gesteht, keine Kinder zu wollen. Lily träumt davon, nach Anglesey in Wales zu reisen, um mehr über ihre verstorbene Mutter Gwyn Ross zu erfahren. Zoe kommt dieses Vorhaben gelegen: Sie bietet Lily an, sie mit ihrem alten VW-Bus T4 zu begleiten. Von Heidelberg aus machen sich die beiden Frauen auf den Weg zur Fähre nach Dover. In London besuchen sie Lydia, Zoes Patentante, und machen Zwischenstopps auf verschiedenen Farmen. Im Zielort erinnert sich in einem Pub tatsächlich jemand an ein Mädchen, das Lily ähnlich sieht und dort vor rund dreißig Jahren bedient haben soll. Kathryn, die angeblich die beste Freundin von Lilys Mutter war, soll ihr nächstes Ziel sein – doch vorher möchte Lily noch das Kitesurfen bei Sam lernen.
Plotstruktur mit Schwächen: Rückblicke, die irritieren
Der Roman Im Meer der Himmel ist die Fortsetzung des Werkes Im See der Himmel. Zu Beginn fällt es Leserinnen und Lesern schwer, in den Plot einzutauchen, nicht zuletzt durch einen unvermittelten Rückblick ins Jahr 2015, der schwer einzuordnen ist. Zahlreiche weitere Rückblenden folgen, in denen Zoe sich an ihre Beziehung mit Tobi erinnert – an das Kennenlernen, schöne Erlebnisse sowie Enttäuschungen, wie jene bei seiner Examensfeier.
Lokalkolorit und Naturbeobachtung: Authentisch und detailreich
Helen M. Sand lässt reichlich Lokalkolorit einfließen. Besonders eindrucksvoll ist die Beschreibung der Rotmilane auf der real existierenden Gigrin Farm – ein ornithologisches Highlight. Auch das Café Caffi Colwyn in Wales wird lebendig geschildert. Lily und Zoe probieren die landestypische Spezialität Welsh Rarebit und besuchen im Londoner Zoologischen Museum das Präparat des ausgestorbenen Dodo.
Liebe und Verantwortung: Jugendgerecht, mit Lücken
Der Roman bleibt jugendfrei: Die Beziehung zwischen Lily und Sam wird poetisch umschrieben – beispielsweise mit „…der Rasen war ein weiches Bett für ihre Liebe“. Konkrete Details bleiben der Fantasie überlassen. Ein Hinweis auf Verhütung, etwa durch die Erwähnung eines Kondoms, fehlt jedoch – gerade da Lily den Kitelehrer erst seit wenigen Tagen kennt, wäre dies pädagogisch sinnvoll gewesen.
Sprachstil, Kritikpunkte und Fazit
Helen M. Sand schreibt flüssig und mit feinem Gespür für sprachliche Ausschmückung. Allerdings verliert sich der Roman immer wieder in detailreichen Beschreibungen – zulasten des Handlungsfortgangs. Der rote Faden reißt stellenweise, belanglose Szenen dominieren, sodass der Text mitunter wie ein Reisebericht wirkt. Tobi tritt zum Schluss noch einmal auf, als es dramatisch wird und das Leben der Frauen gefährdet ist – allerdings wird mit Aussagen wie „literweise Salzwasser“ reichlich übertrieben.
Fazit: Im Meer der Himmel kann nicht an die Qualität des ersten Bands heranreichen. Trotz schöner Naturbilder und gefühlvoller Sprache leidet die Geschichte unter einem zähen Plot und erzählerischen Ausschweifungen.