Heddi, die es durch ein Austauschprogramm von Amerika nach Neapel geführt hat, wohnt mit einem „bunt zusammengewürfelten Haufen“ im Spanischen Viertel. Wie sie, studieren auch Luca, Davide, Angelo, Tonino und Sonia aus der Clique an Neapels Universität. Auf einer Party überreicht ihr einer der Gäste eine Kassette mit alten Liedern, die er extra für sie aufgenommen hat. Wie Heddi erfährt, handelt es sich dabei um den Geologiestudenten Pietro, der sich mit seinem Bruder Gabriele eine Wohnung teilt. Heddi besucht ihn und nach anfänglicher Befangenheit bleibt es nach der ersten sinnlichen Begegnung nicht nur bei einem Kuss. Als Pietro immer öfter zu seinen rückschrittlichen Eltern reist, die in einem kleinen Bergdorf als ärmliche Landwirte leben und die er bei der Arbeit unterstützen muss, verhindert das die Zukunftspläne des verliebten jungen Paares.
Heddi Goodrich beginnt ihren Roman Eine Liebe in Neapel* mit einer Mail von Pietro an Heddi, in der er große Fehler seinerseits einräumt, die er außerordentlich bedauert, weil sie zum Bruch der Liebesbeziehung geführt haben. Immer wieder wird die eigentliche, in den 90er Jahren angesiedelte Handlung von dem viele Jahre später aufgenommenen Mailverkehr der beiden unterbrochen. In der Ich-Form erzählt Heddi vom Leben in dem Spanischen Viertel, in deren sehr engen Gassen Ortsunkundige schnell orientierungslos werden und sich verlaufen können, von Besuchen bei den Eltern ihres Geliebten, von Festen und Jahreswechseln, den wiederholten Treffen eines obdachlosen Priesters, ihrem Studium mit abschließender Promotion sowie natürlich auch von den gemeinsamen Zukunftsplänen. Ihre diesbezüglichen Ausführungen ziehen sich allerdings in die Länge, was einen Teil der Leserschaft zum vorzeitigen Abbruch der Lektüre veranlassen dürfte.
Augenfällig trägt die Protagonistin Heddi nicht nur den gleichen Namen wie die Autorin, sondern stammt wie diese ebenfalls aus Washington, hat ein Linguistikstudium in Neapel absolviert und später als Lehrerin in Neuseeland gearbeitet. So darf vermutet werden, dass der Roman zumindest autobiografische Züge enthält. Wegen der in Neapel verbrachten Jahre kann Heddi Goodrich besonders das Leben in dem Spanischen Viertel atmosphärisch gut beschreiben. Auch die Allgegenwärtigkeit des Vesuvs, dessen Ausbruch im Jahr 1980 sie erwähnt, wie das unterirdische Höhlensystem von Neapel, das der Bevölkerung während der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg als Schutzraum diente, ein gigantisches Labyrinth darstellt und besichtigt werden kann, führt sie dem Leser bildlich vor Augen.
Der angenehme Schreibstil der Autorin zeugt ohne Zweifel von ihrem großen Talent, und der Leser kann sich gut in das von ihr beschriebene Milieu der aus Studenten bestehenden WG hineinversetzen. Auch die Zerrissenheit von Pietro, der in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land groß geworden ist und deren Wertvorstellungen seiner Eltern in völligem Gegensatz zu seinen Wunschträumen und Zukunftsplänen stehen, ist nachvollziehbar dargestellt. Nichtsdestotrotz kann der Roman Eine Liebe in Neapel* nur wenig überzeugen und zwar nicht nur wegen eines an einer Stelle versehentlich falsch gedruckten Namens oder weil die Autorin auf die Ausführungen erotischer Abenteuer der Liebenden verzichtet hat, sondern weil der Plot bis zum Ende keine Überraschungen bereithält und sich wie Kaugummi in die Länge zieht.
Eine Liebe in Neapel von Heddi Goodrich
Übersetzung von Judith Schwaab
btb Verlag 2020
Klappenbroschur
544 Seiten
ISBN 978-3-442-71867-2