Paarungsbereit von Kirsten Hammann

PaarungsbereitSeit einem halben Jahr wohnt Julie mit Casper zusammen. Doch bevor er den Schritt in die Ehe wagt, will er sich ganz sicher sein und verlässt Julie für eine Weile, indem er sich einfach auf und davon macht. Umso enttäuschender ist es für sie, dass er sich sogar für ein halbes Jahr beurlauben ließ und seine Reise nach Indien lange geplant hat. Julie lässt sich von ihrer besten Freundin Nina trösten und redet sich gebetsmühlenartig ein, dass Casper sicher bald wieder zu ihr zurückkommt. Schließlich hat er ihr einen Heiratsantrag gemacht und will mit ihr Kinder haben.

Da Julie die Miete für die teure Wohnung nicht allein aufbringen kann, sucht sie einen Untermieter. Ihre Entscheidung fällt auf Sune, der seinen Job bei einer Tankstelle gekündigt hat, um in Ruhe einen Roman schreiben zu können. Ihm kommt das Angebot sehr gelegen, zumal Julie während seiner Schaffenszeit am Tag in einem Reisebüro arbeitet. Sie stellen einen Plan auf, zu welchen Zeiten ein jeder welche Räume nutzen darf. Trotz idealer Voraussetzungen fällt Sune zu seinem Roman nichts ein, denn anstatt sich darauf zu konzentrieren, ist er mit seinen Gedanken ganz woanders. Als er eine Frau mit auf sein Zimmer nimmt, ist es ihm peinlich, während Julie, die „Paarungsbereit“ ist, sich dadurch nur um so verlassener fühlt.

Kirsten Hammann besitzt als Autorin die seltene Gabe, Handlungen quasi zu sezieren, indem sie jedes Detail eines Ablaufes aufzählt, wobei ihre Beschreibungen aber nicht eintönig oder langatmig wirken. So selbstverständlich, wie sie über Frontallappen des Gehirns doziert, schreibt sie auch völlig unverkrampft darüber, wie Sune onaniert, wobei er sich anzüglichen Fantasien hingibt, oder auch, wie Julie sich in Ermangelung ihres Verlobten mit Sexspielzeug beschäftigt. Da es im Roman in der Hauptsache um die Gedanken und Gefühlslage der beiden Protagonisten geht, ist die Bezeichnung „Skandalbestseller aus Dänemark“ reichlich übertrieben und schürt vielleicht überzogene Erwartungen. Denn was die Autorin in diesem Punkt ausführt, mögen sich einige wünschen, sich aber wegen übertriebener Hemmungen verkneifen.

Kritische Aspekte spricht Kirsten Hammann bei der Entlassung noch gehunfähiger Patienten aus dem Krankenhaus an, die nicht wissen, wie sie alleine zu Hause zurechtkommen sollen. Ebenso weist sie auf das veränderte Sexualleben eines Paares nach der Geburt eines Kindes hin und schreibt, wie psychisch belastend es für eine Frau ist, einen toten Föten zur Welt bringen zu müssen und nachher sogar zu beerdigen, was wohl ein Tabuthema sein dürfte. Amüsant wird es aber für den Leser, wenn er vom Erfindungsreichtum Julies liest, der ihren ausgeprägten und unbedingten Wunsch nach einer Schwangerschaft betrifft.

Darüber, ob sich eine Frau tatsächlich einen Mann als Untermieter nimmt, mag man geteilter Meinung sein. Das Verhalten von Julie und Sune entspricht dann aber doch einer realen Vorstellung. Auch, wenn das Ende absolut nicht vorhersehbar ist, entwickelt es sich so, wie es zwangsweise kommen muss. Der in sehr flüssigem Schreibstil verfasste und recht spezielle Roman „Paarungsbereit“, der nebenbei auch noch medizinisches Wissen vermittelt, wird in erster Linie weibliche Leser ansprechen, die sich auf eine handlungsarme Geschichte mit Tiefsinn einlassen.

Paarungsbereit von Kirsten Hammann

Paarungsbereit
Übersetzung von Flora Fink
btb Verlag 2014
Taschenbuch
544 Seiten
ISBN 978-3-442-74537-1

Bildquelle: btb Verlag
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