Rosemarie bekommt zu ihrem neunundvierzigsten Geburtstag von ihrem Sohn eine zweiwöchige Reise nach Sri Lanka geschenkt. Im August 1995 startet sie von Düsseldorf und ist nach ihrer Ankunft am Ziel auf ganzer Linie enttäuscht: Aufgrund der Korallenbänke wimmelt es am Strand nur so von spitzen Steinen, sie zieht sich einen starken Sonnenbrand zu und in der Nacht wird sie von Mücken geplagt. Von Neugier getrieben, wagt sie sich in die Armenviertel, woraufhin ihr klar wird, warum das Resort von Security-Leuten bewacht werden muss. Mit Eberhard und Bärbel, die sie bereits auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel kennengelernt hat, macht sie einen Ausflug zu einer herrlichen Bucht und türkisfarbenem Wasser, was ihre Freude auf den weiteren Urlaub hebt.
Im Hotel hat es Rosemarie ein schöner, scheuer Kellner angetan und in Gedanken wird sie von ihm geküsst. Während einer Poolparty arrangiert Eberhard für sie ein Treffen mit dem Kellner in der Moon Bar, und obwohl sie sich nur in gebrochenem Englisch verständigen können, kann sie ihn dazu überreden, sie zu einem Fest mit tausenden Singhalesen im Nachbarort zu begleiten. Der zweiundzwanzig Jahre jüngere Mann stellt sich ihr als Kasim vor und ist unverheiratet, weil er für seine Familie Geld verdienen muss. Noch an ihrem Abreisetag stellt er Rosemarie seiner großen Familie vor und bittet sie, ihn mit nach Deutschland zu nehmen, wo er arbeiten möchte. Stattdessen gibt sie Kasim Geld, damit er die deutsche Sprache erlernen kann.
Als sie zu Hause alle bürokratischen Hürden überwunden und Kasim eine Ausreisegenehmigung sowie ein Visum für drei Monate bekommen hat, kommt endlich „Der Prinz aus dem Paradies“ in ihren Heimatort nahe Schaffhausen. Noch nie in ihrem Leben hat sich Rosemarie so begehrt gefühlt, noch nie wurde sie mit so viel Zärtlichkeit überschüttet. Da er keine Arbeitsgenehmigung bekommt, sieht Rosemarie nur einen Ausweg: Die Ehe. Doch es gibt Probleme mit den erforderlichen Papieren, weshalb sie in Sri Lanka heiraten. Ohne zu klagen, kleidet sie ihn ein, zahlt die teuren Flüge und Gastgeschenke für seine Familie, obwohl sie knapp bei Kasse ist. Streitereien sind längst an der Tagesordnung, doch ist das nicht mit dem zu vergleichen, was Rosemarie in Sri Lanka erwartet: Kasim ist nicht nur für einige Überraschung gut, sondern verschwindet eines Tages, ohne ihr eine Nachricht zu hinterlassen.
Während einer Tour ins Landesinnere von Sri Lanka vermittelt Hera Lind in ihrem Roman „Der Prinz aus dem Paradies“ Wissenswertes über das Land und seine Bewohner, was ihren Kleidungsstil, ihre Bräuche und Rituale anbelangt. Zu der eigentlichen Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht, gesellen sich einige Zwischenfälle, die den Plot unnötigerweise in die Länge ziehen. Ob sich die echte Rosemarie tatsächlich „über Nacht zehn Jahre jünger“ fühlte, sie ihre Figur für begehrenswert hielt und sie sich wie ein Teenager vor der ersten Tanzstunde mit feuchten Händen und Schmetterlingen im Bauch fühlte, sei dahingestellt. Vielleicht hat die Autorin diesen Punkt etwas überzogen. Unklar bleibt auch, ob wirklich jemand so dumm ist, sich wiederholt einen Sonnenbrand zuzuziehen, die Brandung an einsamer Stelle zu unterschätzen und in einem offensichtlich schmuddeligen Restaurant zu essen, was dann auch mit Durchfall und Erbrechen „belohnt“ wird.
Glaubhaft ist dagegen, dass Rosemarie immer wieder die Rolle des Goldesels übernommen hat, denn auf der einen Seite hatte sie damit begonnen, Kasim und seiner Familie Geld zu geben, und natürlich gehofft, dass die Ausbeutung bald ein Ende nimmt; auf der anderen Seite wurde sie, wie geschildert, enorm unter Druck gesetzt. Die Geschichte, wenn sie denn so erlebt wurde, ist sicher eine Dokumentation wert und die Frau kann trotz ihrer Naivität für ihre Unterstützung und ihren Mut bewundert werden. Aber die Romanumsetzung „Der Prinz aus dem Paradies“ von Hera Lind, in der ihre Protagonistin andauernd jammert und die etwas zu häufig glaubt, sterben zu müssen, nervt den Leser mit der Zeit und trübt das Lesevergnügen.
Der Prinz aus dem Paradies von Hera Lind
Diana Verlag 2017
Taschenbuch
416 Seiten
ISBN 978-3-453-35927-7