Mein Mann, seine Frauen und ich von Hera Lind

Mein Mann, seine Frauen und ichWie weit kann oder darf die Liebe zu einem Menschen gehen oder anders gefragt: Ab welchem Stadium wird aus Liebe Hörigkeit? In dem Roman „Mein Mann, seine Frauen und ich“ von Hera Lind, dem eine wahre Geschichte zugrunde liegt, hat die vierundvierzigjährige Nadia Schäfer gerade eine Scheidung hinter sich, als sie einen Anruf von einem ihr unbekannten Mann erhält. Er bittet sie, ihn am nächsten Tag vom Bahnhof abzuholen und beendet damit das Gespräch.

Nadia kommt seiner Bitte nach und sieht sich einem gepflegten, gut aussehenden Mann gegenüber. Sein Name ist Karim, er stammt aus dem Irak, lebt seit vier Jahren in Amsterdam, beabsichtigt jedoch in den Oman überzusiedeln. Wie er gesteht, ist er verheiratet, doch nur noch auf dem Papier, weshalb er auf der Suche nach einer geeigneten Frau ist, die er in Nadia sieht. Obwohl ihre Freunde und auch die erwachsene Tochter Diana Bedenken anmelden, heiraten Karim und Nadia. Doch noch ist sie sich nicht darüber im klaren, was es bedeutet, dass sie durch die Ehe mit einem Moslem automatisch zu einer Muslima wird, die für ihre Liebe mit Unterwürfigkeit bezahlen muss.

Nadia und Karim verbringen ihre Flitterwochen in Dubai. Ihre modische Kleidung tauscht die ehemals in einem Modeladen Beschäftigte gegen lange Mäntel und ein Kopftuch. Zunehmend gerät sie in Gewissenskonflikte, obwohl sie sich immer mehr dem Orient zugehörig fühlt. Ihr aus dem früheren Beruf resultierendes Organisationstalent wird von ihrem Mann zunehmend ausgebremst. Wenn es nicht Ehefrau Nummer eins mit den drei Kindern gäbe, wäre Nadias Glück vollkommen. Doch plötzlich missachtet der streng gläubige Karim seine eigene Auslegung der von ihm immer wieder gebetsmühlenartig eingeforderten Gesetze, und er nimmt sich eine dritte Ehefrau.

So unglaublich es klingt, dass ein Mann einer ihm fremden Frau einen Heiratsantrag macht und dabei von Liebe spricht, so weckt gerade dieser Widerspruch die Neugier auf den Fortgang der Geschichte, obwohl dem Leser schon vom Klappentext die weitere Entwicklung mit einer dritten Ehefrau bekannt ist. Anfangs drängt sich der Verdacht auf, dass niemand so blöd sein kann und sich auf ein solches Abenteuer einlässt, zumal Karim als gläubiger Moslem von seiner Frau die Befolgung der arabischen Sitten einfordert. Doch im weiteren Verlauf ist es der Autorin tatsächlich gelungen, beim Leser Mitleid mit Nadia zu empfinden, für das, was Karim von seiner Frau verlangt. Ob es nötig ist, diesen Punkt dutzendfach zu wiederholen, mag unterschiedlich bewertet werden. Denn die Protagonistin denkt bei veränderten Situationen wiederholt, dass er ihr das unmöglich antun kann. Aber gerade deshalb, weil sie offensichtlich aus der Vergangenheit nichts gelernt hat und sich seinen weiteren, eingrenzenden Geboten fügt, kann man irgendwann kein Mitleid mehr für ihr Schicksal empfinden.

Hera Lind vermittelt in ihrem Roman „Mein Mann, seine Frauen und ich“ nicht nur einen eindrucksvollen Einblick vom Leben im Oman und den islamischen Sitten, sondern macht auch deutlich, dass in dieser Kultur aufgewachsene Männer kein schlechtes Gewissen plagt, wenn sie ihren Frauen das Baden im Meer genauso verweigern wie ein Gespräch mit einem anderen Mann. Und wenn sie selbst mehr als eine Ehefrau haben und bei ihr zu Besuch sind, darf die Zurückgelassene das Haus, unter Umständen mehrere Tage lang, nicht verlassen. Der Autorin kann das Talent nicht abgesprochen werden, eine Geschichte dermaßen in Szene zu setzen, dass ihre vornehmlich weibliche Leserschaft auch bei dieser Lektüre nicht von dem Buch lassen kann. Mit Spannung wird verfolgt, welche „Überraschungen“ Karim noch für Nadia bereit hält und natürlich fiebert man dem Ausgang dieser Beziehung bis auf die letzte Buchseite entgegen.

Mein Mann, seine Frauen und ich von Hera Lind

Mein Mann, seine Frauen und ich
Diana Verlag 2017
Hardcover mit Schutzumschlag
400 Seiten
ISBN 978-3-453-29186-7

Bildquelle: Diana Verlag
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