Ein anderer Morgen von Carolin Hagebölling

Ein anderer MorgenFast dreizehn Jahre ist Eva mit Peter verheiratet. Beide sind Anfang vierzig und leben mit ihren Kindern, der elfjährigen Laura und dem neun Jahre alten Jonas, in München. Eva hat eine gut bezahlte Halbtagsstelle in einer Marketingabteilung und duzt ihren Chef Carsten, der ein Tennispartner ihres Mannes ist. Als die Kinder eines Abends bei der Großmutter sind, freut sich Peter darauf, mit ihr allein zu sein und nähert sich Eva mit einer bestimmten Absicht. Doch sie stellt überrascht fest, dass sie keine Lust auf den Austausch von Zärtlichkeiten hat und eher Ekel empfindet.

Obwohl Eva einen liebevollen Ehemann hat und sich glücklich schätzen müsste, wird sie mit ihrem Leben immer unzufriedener. Gefrustet mobbt sie auf der Arbeit eine Kollegin, und aus einer Laune heraus verabreicht sie Peter eine große Menge eines Abführmittels. Während er von Krämpfen geschüttelt wird, spielt sie die Ahnungslose und behält diese Rolle bei, als Laura um ihren verschwundenen Hamster weint, obwohl ihn Eva selbst in den Garten entkommen ließ. Gegen ihre sonstigen Gepflogenheiten widerspricht sie ihrem Mann im Beisein der Kinder, womit sie ihn bewusst demütigt. Als er durch Zufall auch noch von der Existenz eines Patenonkels erfährt, von dem sie nie erzählt hat, fühlt er sich umso provozierter. Zu Silvester will das Paar ehemalige Studienfreunde und auch Carsten mit seiner neuen Freundin Anna einladen. Nach dieser Party bricht „Ein anderer Morgen“ herein und nichts ist mehr so wie es war.

Carolin Hagebölling hat ihren Roman in zwei Teile gegliedert: Im ersten wird die Protagonistin Eva von einem imaginären Erzähler mit DU angeredet, während sie im zweiten Teil in der Ich-Form von sich selbst erzählt. Der gewöhnungsbedürftige Schreibstil der Autorin beschränkt sich auf die nötigsten Fakten und wirkt durch die kurz und bündig geschilderten Geschehnisse fast ein wenig holprig. Andererseits versteht sie es, den Leser auf sehr anschauliche Weise mit auf eine Reise nach Venedig zu nehmen, zu der ihre Handlungspersonen aufbrechen.

Wie bereits in ihrem Debütroman Der Brief ist es Carolin Hagebölling offensichtlich ein Anliegen, die gleichgeschlechtliche Liebe in den Fokus zu rücken. Ihre Protagonistin, die sich in ihrer Beziehung zu Peter unglücklich fühlt und zunehmend ein aggressives Verhalten zeigt, lässt zunächst über das Internet ihrer erotischen Neugier freien Lauf. Sie trifft sich sogar nach dem Cybersex mit einem Mann, doch kann ihr diese Zusammenkunft keine sexuelle Befriedigung verschaffen. Die findet sie erst in der lesbischen Beziehung zu Anna, für die sie viel aufs Spiel setzt. Ob es zwischen besagter Anna, die wie die Autorin Schriftstellerin ist und ein zweites Buch veröffentlicht hat, Parallelen gibt, bleibt eine gewagte Spekulation. Wenn der Leser auch vergeblich auf eine Überraschung oder Wendung am Ende des Romans „Ein anderer Morgen“ wartet, so kann er sich dem Sog, den die Lektüre auslöst, nur schwerlich entziehen, denn er will den Fortgang der Handlung erfahren.

Ein anderer Morgen von Carolin Hagebölling

Ein anderer Morgen
dtv 2018
Klappenbroschur
238 Seiten
ISBN 978-3-423-26194-4

Bildquelle: dtv
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