Der Kunsthistoriker Peter Lindke bewohnt seit kurzem mit seiner Frau Kee und den beiden Söhnen Tristen und Ewan ein Reihenhaus in einem sozial gemischten Quartier inmitten von Sozialwohnungen aus den achtziger Jahren. Die Stadt hatte einen Teil der alten Mietshäuser abgerissen und an deren Stelle einige schicke Reihenhäuser gebaut, um Wohnraum für Besserverdienende zu schaffen. Das Neubauprojekt soll das Viertel verbessern und dafür sorgen, dass gut ausgebildete Familien in Rotterdam bleiben. Peter arbeitet als Kurator der Abteilung für niederländische Barockmalerei am örtlichen Museum, seine Frau Kee ist eine erfolgreiche Illustratorin. Doch in ihrer Ehe kriselt es, denn während Kee sich auch noch um den Haushalt und die Kinder kümmern muss, vergräbt sich Peter in seiner Arbeit.
Als ein angeblich neuer Rembrandt entdeckt wird, das Porträt eines unbekannten jungen Mannes, widerspricht Peter dieser Zuschreibung, obwohl mehrere Experten die Echtheit des Gemäldes bestätigt haben. In einer Fernsehshow erklärt er, warum das Bild niemals von Rembrandt stammen kann und wird daraufhin vom Leiter des Museums gefeuert. Da er für einige Monate weiterhin sein Gehalt erhält, verschweigt er Kee seine Entlassung. Er bleibt morgens länger zuhause und verbringt den Tag in einem Waschsalon.
Eines Morgens wird er von Dschemine, der ihm bis dahin unbekannten Putzfrau, im Haus überrascht. Bei einem gemeinsamen Kaffee klagt ihm Dschemine ihr Leid, und Peter verspricht ihr zu helfen. Er regelt für sie die Rückzahlung ihrer Schulden, hilft ihr eine sozialversicherungspflichtige Arbeit und eine anständige Wohnung zu finden. Kurz darauf bringt Dschemine den jungen Ilyas mit, der keine Arbeit, aber dafür zwanzigtausend Euro Schulden hat und in einer nur spärlich eingerichteten Wohnung lebt. Sie bittet Peter, auch ihm bei seinen Problemen zu helfen.
Der Roman Ilyas* von Ernest van der Kwast ist in Deutschland unter dem widersinnigen Titel Der perfekte Mann* erschienen. Der Protagonist Peter Lindke, der seine Frau auf der Autobahn an einer Tankstelle vergisst und einen ganzen Tag mit Scheiße an der Brille zur Arbeit geht, kann wohl kaum als perfekter Mann angesehen werden. Er ist ein Nerd, der von seiner Arbeit als Kunsthistoriker besessen ist, keine Beziehung zu seinen Söhnen aufbauen kann und nicht erkennt, wie seine Frau unter ihrer Ehe leidet. Erst durch Dschemine nimmt sein Leben eine unerwartete Wendung. Er erkennt, dass Geld nicht alles ist und es ihn viel mehr erfüllt, für seine Familie da zu sein und anderen Menschen zu helfen.
Ernest van der Kwast schildert in seinem Roman Der perfekte Mann* nicht nur humorvolle Szenen, sondern widmet sich auch ernsthaften Themen. So kann ein sozial gemischtes Quartier theoretisch ein sinnvolles Projekt sein, doch wirft dies eben auch enorme Probleme zwischen den beiden Lagern der Anwohner auf. Kritisch merkt der Autor an, dass Behörden die alten Mietshäuser abgerissen haben, sich aber niemand die Frage nach dem Verbleib der vorherigen Bewohner stellt. Was den Protagonisten zu der Überlegung führt, ob die Stadt auch in einem Villenviertel einige der Prachtbauten abreißen würde, um dort Sozialwohnungen zu errichten. Sehr eindringlich beschreibt der Autor die Probleme des jungen Ilyas, der durch die Maschen des Systems gefallen ist, Schulden hat und ohne Hilfe keinen Ausweg mehr sieht. Ein bemerkenswerter Roman, der zwar in Rotterdam angesiedelt ist, dessen Handlung sich aber auch genauso in jeder beliebigen Großstadt ereignen könnte.
Der perfekte Mann von Ernest van der Kwast
Übersetzung von Rainer Kersten
btb Verlag 2023
Taschenbuch
352 Seiten
ISBN 978-3-442-77180-6