Ferrara von Bert Wagendorp

FerraraSeit fast einem halben Jahrhundert sind David, Joost und André die besten Freunde von Bart. Doch seit vor über dreißig Jahren der gemeinsame Freund Peter am Mount Ventoux verunglückte, haben sie lediglich den Kontakt nicht abreißen lassen. Deshalb lädt André alle zwecks Austausches von Neuigkeiten zu einer Radtour ein. Am Ufer der Ijssel verkündet Joost, dass er nach Ferrara auswandern will: Er beabsichtigt, einen aus dem 14. Jahrhundert stammenden Palazzo in ein Designhotel zu verwandeln. Obwohl ihn seine Freunde für verrückt halten, treffen sie sich Monate später in Ferrara, um bei den Renovierungsarbeiten zu helfen.

Offensichtlich haben die Männer die Arbeiten an der „Bruchbude“ unterschätzt. Für den Umbau haben sie nach Vorgabe der Behörden nur ein halbes Jahr Zeit. Schnell merken die Laien, dass sie das ohne jegliche Erfahrung nicht schaffen können. Sie beauftragen Architektin Bianca, eine Bekannte von André, die Koordination zu übernehmen. Während Handwerker die schnell voranschreitende Renovierung übernehmen, bleibt den Freunden Zeit, die Gegend zu erkunden.

Bart, der eine sechsundzwanzigjährige, als Journalistin arbeitende Tochter hat, wird von ihr mit der Absicht überrascht, als Korrespondentin nach Amman zu gehen. Vergeblich versucht der Vater, der inzwischen als Bestsellerautor viel erreicht hat und während seiner Zeit als Journalist im Krisengebiet Sarajevo unterwegs war, Anna den Einsatz auszureden. Auch ein Amulett, das David der jungen Frau schenkt, kann Barts Sorgen nicht vertreiben. Mit gemischten Gefühlen bringt er sie mit seiner Exfrau Hinke zum Flughafen nach Schiphol. Als Anna sieben Monate später zu Besuch nach Ferrara kommt, erkennt Bart die bedeutend selbstbewusstere Tochter kaum wieder. Doch dann gibt es plötzlich seit Tagen kein Lebenszeichen mehr von ihr, was dem Vater schlaflose Nächte mit der Vorstellung schlimmster Szenarien beschert. Zudem setzt eine Mitteilung von David den Freunden zu.

Bart erzählt das Geschehen in dem Roman „Ferrara“ von Bert Wagendorp in der Ich-Form. Zunächst geht es in dem Plot um die Planung eines Designhotels der Freunde, deren Anreise und die Fortschritte der Renovierung. Neben Ausführungen zur Geschichte der in Oberitalien gelegenen Stadt Ferrara hat der Autor reichlich Lokalkolorit einfließen lassen und deutlich gemacht, wie die Uhren in Italien ticken: Wenn ein Polizeipräsident regelmäßig in einem Haus zum Abendessen geladen wird, ist es zwecklos, den Hausherrn bei der Polizei anzuzeigen. Bert Wagendorp versorgt seine Leser mit einer Reihe von Hintergrundwissen, so etwa über den in Paris lebenden syrischen Lyriker Adonis; Lucrezia Borgia, die uneheliche Tochter von Papst Alexander VI; den in Groningen aufgewachsenen Gelehrten Rudolf Agricola; und nicht zuletzt auch über das in Venedig gelegene Hotel Locanda Cipriani, in das Bart mit David einkehrt. Mit ihm und Anna fährt er auch zu einer Padellone genannten Fischerhütte, wo sie auf den geheimnisvollen Perotto stoßen. Übrigens ist der Hinweis auf Aale, die durch Kokain, das über menschlichen Urin in Gewässer geleitet wird, unfruchtbar werden, traurige Realität.

Bert Wagendorp lässt seine Protagonisten in Unterhaltungen ausgelassen frotzeln. Sie genießen das Leben, und Bart muss feststellen, dass nicht nur er eine Beziehung zu Bianca hat. Zu seinem Erstaunen hält sie nichts davon ab, mit ihm „vögeln“ zu wollen, obwohl beide gerade knapp dem Tod entkommen sind. Seine Protagonisten begeben sich aber auch auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Unweigerlich setzen sie sich dabei mit dem Tod und wie ihm begegnet werden kann auseinander. In dem nachdenklich stimmenden Roman „Ferrara“ geht es zum einen um eine allen Widerständen trotzende Freundschaft zwischen vier Männern, zum anderen um die kompromisslose Liebe eines Vaters zu seiner Tochter, der aufmerksam jeden ihrer Kriegsberichte liest und eine Fernsehreportage mit ihr aus dem Zentrum von Bagdad verfolgt.

Ferrara von Bert Wagendorp

Ferrara
btb Verlag 2022
Hardcover mit Schutzumschlag
284 Seiten
ISBN 978-3-442-75900-2

Bildquelle: btb Verlag
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