Das Rosie-Projekt von Graeme Simsion

Das Rosie-ProjektAsperger-Autisten verfügen häufig über eine geschärfte Wahrnehmung und außerordentliche Gedächtnisleistung, die allerdings mit einem Mangel an Empathie einhergeht. Dass ein Genetiker, der einen Vortrag über das Asperger-Syndrom hält, entsprechende Anzeichen auch an sich selbst wahrnimmt, könnte man annehmen, doch ist das bei dem neununddreißigjährigen Assistenzprofessor Don Tillman in dem Roman „Das Rosie-Projekt“ nicht der Fall. Sein Tagesablauf richtet sich nach einer minutiösen Einteilung, Effizienz und Perfektionismus sind oberstes Gebot, sein Fortbewegungsmittel ist ein Fahrrad, er beherrscht die Technik des Aikido, und allen Personen ordnet er augenblicklich einen geschätzten IQ und BMI zu. Allerdings ist er nicht auf menschliche Gefühle konfiguriert, wie er gerne betont. Da aber selbst seine alte Freundin Daphne davon überzeugt ist, dass es auch für ihn eine passende Partnerin geben muss, räumt Don seinem neuen Projekt, eine Ehefrau zu finden, höchste Priorität ein. In einer langen Liste fasst er wünschenswerte Eigenschaften zusammen, deren Messlatte jedoch sehr hoch angelegt ist, wie sein bester Freund Gene bemerkt.

Über Partnersuchforen hat Don wenig Glück, und auch die von Gene zu ihm geschickte Rosie entspricht absolut nicht seinen Erwartungen. Sie hinterlässt zwar einen atemberaubenden Gesamteindruck auf ihn, doch sie hat sich verspätet, ist zudem Vegetarierin, raucht und arbeitet als Barfrau. Sie zollt ihm nicht einmal den nötigen Respekt und bringt seinen Zeitplan völlig durcheinander. Obwohl Rosie damit als künftige Ehefrau ausgeschieden ist, will ihr Don als Genetiker bei der Suche nach ihrem leiblichen Vater behilflich sein. Ihre Mutter ist bereits verstorben und Rosie weiß nur, dass ihr Vater ein Arzt gewesen sein soll. Als potentieller Vater kommen allerdings nicht wenige infrage, und um ihn aufzuspüren, verdingt sich Don als Cocktailmixer und riskiert wegen unerlaubter, privater Nutzung des Labors zwecks DNA-Analysen sogar seinen Arbeitsplatz. Mit Rosie erlebt er in Ausübung des „Vater-Projekts“ eine Reihe verrückter Abenteuer, sie überrascht ihn immer wieder aufs Neue, aber kann er jemals Liebe für sie empfinden?

Graeme Simsion lässt seinen Protagonisten in einer sehr gewählten Sprache erzählen, was, gemessen an dessen überdurchschnittlicher Intelligenz, gerade dadurch authentisch wirkt. Don weiß sehr viel, doch vom eigentlichen Leben sehr wenig oder fast nichts, weshalb er in seiner Naivität dumme, manchmal sogar peinliche Fragen stellt und in Liebesangelegenheiten unpassende Antworten gibt. Der Roman sprüht vor Situationskomik und nötigt dem Leser nicht allzu viel Phantasie ab, wenn er sich amüsiert vorstellt, wie Don als Kampfsportler in einem feinen Restaurant auf Sicherheitspersonal trifft, wie er mit einem Skelett das Tanzen erlernen will oder sogar damit Sexstellungen ausprobiert. Ohne Zweifel sind das absurde Anstrengungen, doch dem einfältigen und noch „jungfräulichen“ Don nimmt der Leser seine Vorbereitungen für den Ernstfall ab. Der intelligente Plot des Romans „Das Rosie-Projekt“ befasst sich aber auch mit Vorurteilen und eine Verfilmung ist bereits in Planung. Das Hörbuch wird von Robert Stadlober mit sehr angenehmer Stimme, einer deutlichen Aussprache und hervorragender Betonung gelesen.

Das Rosie-Projekt von Graeme Simsion

Das Rosie-Projekt
Argon Verlag 2015
5 CDs in Multibox
6 Stunden, 24 Minuten
ISBN 978-3-8398-9247-3

Bildquelle: Argon Verlag
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