Das Meer von unten von Anna Silber

Das Meer von untenConnie arbeitet in einem Wiener Gasthaus als Küchenhilfe zusammen mit Sinan, Janosz, Lin und dem Chefkoch Andi. Hatice ist durch die neue Mitarbeiterin Hana, die neben ihrer Arbeit studiert, ersetzt worden. Connie wohnt in Wien mit ihrer Katze Minze in einem Mehrfamilienhaus, in dem sie gelegentlich mit der Nachbarin Frau Laslo oder Frau Zuki ins Gespräch kommt. Doch eines Tages sitzt das kleine Mädchen einer neu hinzugezogenen Familie im Hausflur, gegenüber Connies Wohnung. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als das hungrige Kind mit in ihre Wohnung zu nehmen und ihm Essen zu geben. Doch dabei bleibt es nicht, denn das Mädchen, das seinen Namen nicht nennt, klopft immer wieder bei Connie an, bei der es sich offensichtlich wohlfühlt. Selbst zu dem Zeitpunkt, als deren hochschwangere Mutter mit dem Vater verschwunden ist, hofft Connie, dass sich alles irgendwie regeln wird.

Anna Silber lässt in ihrem Roman „Das Meer von unten“ die Protagonistin in der Ich-Form größtenteils von belanglosen Dingen des Alltags berichten. So ist beispielsweise vom routinierten Tagesablauf der Küchenhilfen zu lesen, wobei auch Näheres über deren Leben preisgegeben wird. Chefin Berta führt das Lokal, Hana outet sich als Lesbe und Janosz, der zumindest mal etwas mit Connie hatte, lebt mit Freundin Sveti zusammen, die sich sehnlichst ein Kind von ihm wünscht. Von der wenig strukturierten Connie ist bekannt, dass sich ihre Eltern vor zehn Jahren getrennt haben. Wenn sie von ihrer Mutter, die sie stets korrekt mit Constanze anredet, einen Anruf erhält, kommt ihr dieser stets ungelegen. Von deren Anrufen ist Connie sogar permanent genervt. Trotz des unklaren Verhältnisses, das sie zu Janosz pflegt, meldet sich Hakim für einen Besuch bei ihr an. In distanzierter und nüchterner Übereinkunft kommt es zum Beischlaf, woraufhin Hakim wieder geht.

Was das Nachbarskind anbelangt, so wird im Plot weder Name noch Alter genannt. Gelegentlich ertönen in der Nacht Schreie vom „Nachbarskindvater“ und der „Nachbarskindmutter“. Das Mädchen besucht nur gelegentlich die Schule, es redet, wie ihm der Mund gewachsen ist, gibt sich stets unerschrocken und forsch und ist in seinen Schlussfolgerungen häufig überraschend konsequent. Werden ihr Fragen gestellt, auf die sie keine Antwort kennt oder die sie nicht beantworten möchte, weicht sie dem aus. Sie liebt es, mit Connie in der Bim zu fahren und ist ganz von einem blauen Tuch an der Zimmerdecke in der Wohnung bei Connies Mutter angetan, weil es so aussieht wie „Das Meer von unten“.

Interessant sind zwei Gespräche, die mit einer Sachbearbeiterin der Einwanderungsbehörde geführt werden, da sich die bürokratischen „Fallen“ kaum von denen in Deutschland unterscheiden, denn die Dame hat absolut kein Verständnis für die Belange der Hilfesuchenden und beharrt weiterhin auf nicht zu erfüllenden Forderungen. Schwierig wird es für Leser, die nicht mit den in Österreich gebräuchlichen Ausdrücken vertraut sind. Dass mit Gewand die Kleidung, mit Weckerl ein Brötchen und mit Bim eine Straßenbahn gemeint ist, kann noch kombiniert werden. Schwieriger wird es, wenn es um das Rauchen einer Tschick geht, bei der es sich um das Rauchen einer gewöhnlichen Zigarette handelt, beim Ausdruck Sandler, womit ein Obdachloser oder mit Spezln ein Freund gemeint ist. Dass sich hinter dem Wort Tuchent ein Federbett verbirgt, wird hierzulande kaum jemand ahnen. Obwohl der Roman durchaus das Interesse am Fortgang der Handlung weckt, fragt sich der Leser, für den eine Menge Fragen offen bleiben, welche Erkenntnis ihn die Lektüre gebracht haben soll.

Das Meer von unten von Anna Silber

Das Meer von unten
Picus Verlag 2023
Hardcover mit Schutzumschlag
226 Seiten
ISBN 978-3-7117-2135-8

Bildquelle: Picus Verlag
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