Das Fräulein mit dem karierten Koffer von Claudia Kaufmann

Das Fräulein mit dem karierten KofferEs ist die Zeit der Beatles: Die neunzehnjährige Sabine Decker, die eine Anstellung als Sekretärin hat und allein mit ihrer Mutter Brigitte lebt, ist über deren Heiratsabsichten mit Heinz wenig erfreut. Von Anfang an hat er etwas gegen seine Nachbarin, da sie als alleinerziehende Mutter von Rena in seinen Augen eine „Schlampe“ ist. Obwohl er und auch ihre Mutter Sabine den Umgang mit Rena verboten haben, hat sie sich mit ihr angefreundet und erfährt, dass Heinz während des Krieges Blockwart bei den Nazis war. Neben anderen Gründen lehnt sie deshalb auch sein Angebot, bei ihm zu arbeiten, rigoros ab.

Rena ist es auch, die Sabine ein erstes Mal mit in eine Disco nimmt und in den Kreis von Studenten einführt, wo jeder darüber erstaunt ist, dass Sabine einer Arbeit nachgeht. Schon bei dem Besuch der Disco lernt sie den gutaussehenden Michael Dornheim kennen, begüterter Sohn einer industriellen Familie. Die beiden verlieben sich ineinander, und obwohl der junge Mann „aufgepasst“ hat, wird Sabine im Jahr 1964 schwanger. Mit den Tatsachen konfrontiert, will er durchaus Verantwortung übernehmen, und auch, wenn er zunächst andere Pläne verfolgt, will er sie zu ihrer großen Freude heiraten. Schließlich muss sich „Das Fräulein mit dem karierten Koffer“, von den Eltern vor die Tür gesetzt, alleine durchs Leben schlagen: Nach der Geburt von Andrea wehrt sich die ledige junge Mutter gegen eine Adoption und ihr wird ein Vormund zur Seite gestellt, dem sie hilflos ausgeliefert ist.

Claudia Kaufmann beginnt ihren Roman mit einem Prolog, der bereits vorwegnimmt, dass Sabine mit ihrer Tochter Andrea vereint ist, die mittlerweile selbst Mutter einer erwachsenen Tochter ist. Das verhindert jedoch nicht, dass der Leser Anteil an dem tragischen Schicksal nimmt, dem in früheren Zeiten unzählige Frauen ausgesetzt waren. Im Folgenden nehmen die Mitte der 1960er Jahre stattfindenden Ereignisse fast den gesamten Plot ein. Wer annimmt, es könnte sich um eine vorhersehbare Geschichte handeln, wird im weiteren Handlungsverlauf eines Besseren belehrt, da sich eine Vielzahl von nicht vorhersehbaren Wendungen ereignen, in deren Verlauf die Protagonistin immer wieder Phasen durchläuft, die sie von euphorischen Höhen in ausweglose Tiefen stürzen. Als sie glaubt, mit Holger eine Lösung gefunden zu haben, ist seine Vergangenheit ein Hindernis.

Die Autorin erinnert in ihrem Roman „Das Fräulein mit dem karierten Koffer“ mit dem Urlaubsziel Rimini an der Adria, den immer zahlreicher werdenden italienischen Lokalen oder den vorzüglich bei jungen Leuten beliebten Tropfkerzen sowohl an das Lebensgefühl der 1960er Jahre, als auch an die Verhaftung Nelson Mandelas, Bestrafung Homosexueller und Forderung nach Gleichberechtigung, wobei gerade die Studenten einen maßgeblichen Anteil an den Reformierungen hatten. Sie geht auf die grausamen, von den Nazis verübten menschlichen Versuchen in den Konzentrationslagern und die sich wandelnden Erziehungsmethoden von autoritär hin zu antiautoritär sowie auf neuzeitliche Methoden zur Bestimmung einer Vaterschaft ein. Der in flüssigem Schreibstil gehaltene Roman von Claudia Kaufmann verdeutlicht die Doppelmoral der Menschen während der damaligen Zeit und auch den sich stets wiederholenden Generationskonflikt, in dem sich Kinder aus Unverständnis über das sorgenvolle Verhalten ihrer Eltern auflehnen, auf beeindruckende Weise!

Das Fräulein mit dem karierten Koffer von Claudia Kaufmann

Das Fräulein mit dem karierten Koffer
S. Fischer Verlag 2021
Taschenbuch
320 Seiten
ISBN 978-3-596-70049-3

Bildquelle: S. Fischer Verlag
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