„Blech“ von Oliver Gasperlin – Dystopie, Kritik und literarischer Aufschrei

Buchcover des Romans Blech

Der Geruch des Verderbens

Die Erdkugel ist eingehüllt in einen alles durchdringenden Gestank nach fauligem Eiter und verbranntem Fleisch. Leichenberge, stöhnende Verwundete und schreiende Operierte prägen das Bild. Der Mensch lebt in der „Schanz“, wo unerträgliche Hitze herrscht und dunkle Schächte in bodenlose Tiefe führen. Dieses düstere, albtraumhafte Szenario entwirft Oliver Gasperlin in seiner Erzählung Blech – Blech wohin das Auge reicht.

Ein Erzähler im Kriegsgebiet

Der Ich-Erzähler schleppt sich mit seinem Führer durch diese lebensfeindliche Welt, schwer beladen mit Raketenwerfern und Navigationsinstrumenten. Nach dem Tod seines Führers tritt er einer neuen Truppe bei. Gemeinsam erreichen sie einen Brunnen, der jedoch nur verseuchtes Wasser spendet – die Folge: eine Diarrhö-Epidemie innerhalb der Gruppe. Die nächste Station führt ihn zu einem Pharmakologieprofessor, der an eingesperrten Kreaturen grausame Menschenversuche durchführt. Als diese außer Kontrolle geraten, endet alles in einer gewaltigen Explosion. Der Professor und sein erschaffener „Übermensch“ kommen ums Leben. Der Erzähler erhält daraufhin den Auftrag, die Versuche fortzusetzen – Menschen zu erschaffen, furchtlos, schmerzfrei und gehorsam. Ein Gehirn sei dabei überflüssig – es würde ohnehin nur stören.

Flucht aus der Sinnlosigkeit

Gemeinsam mit zwei Freunden erkennt der Protagonist die Absurdität seines Tuns. Sie beschließen die Flucht. Ihr Ziel: die nördliche Hemisphäre, wo ein Meteorit angeblich ein Loch ins „Blech“ gerissen hat. Dort soll es noch natürliche Vegetation geben – eine grüne Oase inmitten des Grauens.

Gesellschaftskritik in dystopischer Verpackung

Der Chaotic Revelry Verlag präsentiert mit Blech keine leichte Lektüre. Die Atmosphäre ist durchgängig beklemmend und bedrückend. Der namenlose Ich-Erzähler bleibt ein Schatten – eine bewusste Entscheidung, die Distanz schafft und die Leser zur Reflexion zwingt. Die episodisch erzählten Stationen seines Wegs werfen ein scharfes Licht auf Missstände unserer heutigen Gesellschaft: Leistungsdruck, Verdrängung, soziale Kälte, die Ausgrenzung älterer Menschen und der Verlust von Sinnhaftigkeit im Berufsleben.

Gasperlín prangert an, dass viele ihre Werte und Überzeugungen zugunsten des Geldes aufgeben. Dass Fragen unerwünscht sind. Dass vieles unter den Teppich gekehrt wird, was eigentlich an die Oberfläche gehört. Und dass Menschen oft für Dinge gelobt werden, von denen sie nichts verstehen – was umso gefährlicher wird, wenn das Unverständliche als bedeutungsvoll gilt. Zwischen den Zeilen blitzen – vorsichtig formuliert – kritische Parallelen zur politischen Gegenwart auf.

Blech von Oliver Gasperlin

Buchcover des Romans Blech
Chaotic Revelry Verlag 2011
Hardcover mit Schutzumschlag
160 Seiten
ISBN 978-3-9812457-6-9

Bildquelle: Chaotic Revelry Verlag

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