Philpots Reise von Sebastian Guhr

Philpots ReiseFür seinen Roman „Philpots Reise“ diente Sebastian Guhr das bereits 1726 veröffentlichte Werk „Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift, das nicht zu verwechseln ist mit der gleichnamigen Kinderbuchausgabe. Der Wissenschaftler Philpot schließt sich einer viele Jahre dauernden Expedition an und macht sich auf die Suche nach dem gelobten Land. Nach einem erlittenen Schiffbruch sind er und sein Vorgesetzter Homrig, von dem er sich jedoch trennt, die einzigen Überlebenden. Philpot findet sich in einem unbekannten Land, umgeben von Riesen, wieder und ist froh, als er auf Stella trifft, die seiner Sprache mächtig ist. Sie gibt dem Winzling Nahrung und Kleidung und will ihm bei der Verfassung eines Reiseberichtes behilflich sein. Nachdem auch ihr Mann Presto auf Philpot aufmerksam wurde und ihn für seine Versuchszwecke missbrauchen will, beginnt für Philpot eine abenteuerliche Flucht.

Wie schon in der Originalausgabe bedient sich auch Sebastian Guhr einer übertriebenen Erzählform, die stellenweise absurde Züge aufweist. Sein Protagonist stammt wie Gulliver aus der Stadt Mildendo, angesiedelt auf einer fiktiven Insel, und begibt sich wie dieser auf eine Reise. Unzählige Parallelen findet der Leser, wenn es beispielsweise um die Frage der Schriftführung geht, von welcher Seite ein Ei geöffnet werden sollte, wie die Toten zu bestatten sind oder auch, dass Philpot von Stella einkleidet wird und sie ihn sogar in ihrem Bett nächtigen lässt. Es finden sich sowohl befremdlich wirkende und sehr nachdenklich stimmende Passagen, als auch einige, bei denen die Lachmuskeln strapaziert werden.

Da Philpot weder Filme, einen Kühlschrank, ein Flugzeug oder den Nobelpreis kennt, sehr wohl aber schon das Automobil, dürfte seine Herkunft aus der Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts anzusiedeln sein. Sebastian Guhr schreibt flüssig und lässt Philpot als scharfen Beobachter seiner Umwelt und über seine Reiseerlebnisse in einer eher gewählten Sprache berichten.

Sebastian Guhr prangert wie Jonathan Swift gesellschaftliche Normen an und weist auf diverse Missstände hin. Viele Menschen sind einsam, was nicht selten durch Tablettenkonsum kompensiert wird. Sie werden immer fetter und größer und es bleibt die Frage, ob sie damit auch hohler werden. Korruption und allgemeine Hetze könnten den Untergang unserer Zivilisation bedeuten. Der „windige Berufsstand“ eines Geistlichen ist nur etwas für „gestrauchelte Existenzen“, denen überdies noch ein Triebverzicht abverlangt wird. Schäfchen glauben alles, was ihnen vorgekaut wird, die Anonymität greift um sich, immer mehr Sozialbauten werden errichtet und massenweise Tierversuche durchgeführt. Dass zwischen Eheleuten kein Streit entbrennt, wenn einer alles „schluckt“, ist kaum verwunderlich. Der Autor hat die Sozialkritik grotesk und satirisch verpackt und teilweise extrem überzogen. Natürlich hat Sebastian Guhr, der selbst ein Philosophiestudium absolviert hat, auch philosophische Gedanken in sein Buch „Philpots Reise“ einfließen lassen. Das surrealistische Werk richtet sich an anspruchsvolle Leser, die das Außergewöhnliche suchen und sich gerne auf etwas Neues einlassen.

Philpots Reise von Sebastian Guhr

Philpots Reise
Chaotic Revelry Verlag 2012
Hardcover mit Lesebändchen
202 Seiten
ISBN 978-3-9812457-9-0

Bildquelle: Chaotic Revelry Verlag
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