Ein Kind aus dem Sturm
Als ein heftiger Sturm ein westafrikanisches Dorf bedroht, versuchen die Bewohner, ihr zunehmend aufgewühltes Vieh zu retten. Inmitten der Unruhe wird ein Boot mit einem weißen Baby in der Lagune angespült. Madame Oumou, Vorsitzende des Ältestenrates, sieht darin die Wiederkehr traumatischer Erinnerungen an die „Weißen Soldaten“ aus dem Nordland, deren Ankunft einst eine Zeit des Schreckens brachte. Sie fordert, das Kind zurück ins Meer zu schicken – doch Mutter Fatou widersetzt sich mutig und nimmt das Mädchen, das fortan Zeyna heißt, bei sich und ihrer Familie auf.
Rückblicke unter dem Affenbrotbaum
Hundert Jahre zuvor erzählt die zwölfjährige Ava den anderen Kindern Geschichten unter ihrem geliebten Baobab-Baum. Sie berichtet von der einstigen Freiheit ihrer Großeltern, von Festen in goldenen Gewändern, die tagelang andauerten – bis die weißen Soldaten kamen, „weiß wie Zebumilch“, und sich das Land mit Gewalt nahmen. Erwachsene wurden zur Arbeit in Goldminen gezwungen, Kinder unter die Obhut katholischer Schwestern gestellt. Ava selbst verliert in den Minen nicht nur das Sonnenlicht, sondern auch ihre Stimme.
Ein Dorf in Aufruhr
Zeyna wächst heran, doch der Alltag verändert sich: Die Fischer bringen immer weniger Fische heim, bis sie schließlich leer zurückkehren. Die Sorge um den Fluch, der auf dem Dorf zu lasten scheint, wächst. Während Ava für Erinnerung und Widerstand kämpfte, muss Zeyna nun mit Mut und Offenheit gegen das drohende Unheil bestehen.
Fantasie trifft Wirklichkeit
Ada Diagne verbindet Realität und Fantastik: In Baobab* entwickeln Boote ein Eigenleben, Tunnel erscheinen wie aus dem Nichts, und ein Wirbelsturm zieht auf, obwohl Windstille herrscht. Zeyna kann sogar mit einer längst Verstorbenen kommunizieren. Der Roman behandelt Themen wie Hautfarbe, Kolonialvergangenheit und kulturelle Entwurzelung mit beeindruckender Feinfühligkeit.
Kindliche Fragen, große Botschaften
Besonders eindrucksvoll sind Szenen, in denen weiße Kinder Zeynas Hautfarbe mit kindlicher Neugier hinterfragen – ob man damit wohl „genauso laut rülpsen“ kann oder „genauso gut spielen“. Die naive Prüfung des Babys gerät zur Irritation über die Grenzen kindlichen Verstehens. Einzelne Begriffe wie Zebu, Yaniswurzel, Maniok oder Kinkéliba-Tee hätten für junge Leser:innen besser erklärt werden können – z. B. in Fußnoten.
Freundschaft über Hautfarbe und Zeit
Tiefgründig und poetisch zeigt Ada Diagne, dass die Unterdrückung durch koloniale Macht auch heute nachwirkt – etwa durch den Verlust von Ritualen, Sprache und Göttern. Der Roman appelliert für das Erinnern und die Kraft gemeinsamer Kultur. Die entstehende Freundschaft zwischen Ava und Zeyna überdauert Hautfarbe, Herkunft und Zeit – eine berührende Botschaft, die auch erwachsene Leser:innen verzaubern kann.