Sklavenkind von Urmila Chaudhary und Nathalie Schwaiger

Verkauft, verschleppt, vergessen – Mein Kampf für Nepals Töchter!

SklavenkindUrmila Chaudhary schreibt in ihrer Autobiografie „Sklavenkind“ über ihr Schicksal, das sie als Kind erleiden musste. Gemäß der Tradition in Nepal wird sie als 6-jährige von ihrem Bruder als Kamalari, als Sklavenkind, verkauft. Ausgerechnet an einem Feiertag, an dem sie ihre Eltern besuchen darf. Denn wegen der ärmlichen Verhältnisse muss sie bei ihrer Schwester in einem Nachbardorf wohnen. Der Bruder begleitet sie noch ein Stück, dann muss Urmila alleine mit den Männern gehen, die sie abholen. Sie ist von nun an die Leibeigene von Sita, der sie als Geschenk überreicht wird. Urmila muss für Sita und ihre Familie in Kathmandu arbeiten, wo sie von Heimweh geplagt wird: Statt des Vogelgezwitschers hört sie nur Motorenbrummen. Für eine aus sechs Erwachsenen und sechs Kindern bestehende Familie muss sie von fünf Uhr morgens bis spät nachts putzen, waschen und kochen – einfach alle in einem Haushalt anfallenden Arbeiten verrichten. Das Versprechen, sie zur Schule zu schicken, wird nicht eingelöst und sie weint viel. Als sie nach vier Jahren endlich für einen Tag nach Hause zu ihrer Familie darf, erkennt ihre Mutter sie nicht einmal mehr. Nach über acht Jahren sieht sie ihren Bruder bei einem Treffen zum ersten mal wieder und nimmt ihren Verwandten das Versprechen ab, dass sie die letzte Kamalari ihrer Familie sein soll.

Sita hat Urmila mittlerweile lieb gewonnen und es ist ihr Wunsch, dass es Urmila besser gehen soll. So gibt sie das Mädchen an ihre Tante weiter, die als Parlamentsabgeordnete ein recht luxuriöses Leben führt. Urmila war eine Entlohnung und der Besuch einer Schule versprochen worden. Doch stattdessen wartet Arbeit von früh bis spät auf sie. Sie muss die Schikanen und Demütigungen der unberechenbaren Frau erdulden, für die sich sogar ihre beiden Söhne schämen. Nach insgesamt elf Jahren kehrt Urmila in ihr Dorf Manpur zurück und beschließt, nicht mehr als Kamalari nach Kathmandu zurück zu gehen. Sie widersetzt sich ihrem Bruder und den Anrufen, mit denen man sie unter Druck setzen will. In Chandra findet sie ihre erste Freundin und besucht mit 17 Jahren zum ersten Mal eine Schule. Sie schließt sich spontan einer Demonstration an, die für das Recht auf Bildung kämpft und erhält Unterstützung von einer Hilfsorganisation. Sie spielt in Theatergruppen mit und spürt ihre Berufung: Selbstbewusst und voller Tatendrang nimmt sie den Kampf gegen die Unterdrückung der Mädchen in Nepal auf und tritt für das Ende der Leibeigenschaft ein.

„Sklavenkind“ von Urmila Chaudhary wird schon nach den ersten Seiten viele Leser an Waris Dirie erinnern, die in ihrem Buch „Wüstenblume“ ihr schweres Schicksal als Kind beschrieben hat. Auch sie hat gegen unmenschliche Traditionen in ihrem Heimatland aufbegehrt und mit Erfolg viel verändern können. Urmila erzählt ehrlich und glaubhaft und in einer sehr bildhaften Sprache. Wie sie zum ersten Mal in ihrem Leben nach Kathmandu kommt, sieht sie sich vielen Dingen gegenüber, die ihr völlig unbekannt sind. Sie kennt die Bezeichnungen für etwas oft nicht, deshalb umschreibt sie alles auf eine naive Weise und natürlich fürchtet sie sich auch vor allem, was ihr fremd ist. Was uns selbstverständlich erscheint, war für sie damals neu und damit beängstigend. Wenn sie heute als 17-jährige die Schule besucht, und dafür ist sie unendlich dankbar, dann muss sie neben kleinen Kindern sitzen. Wie sie sagt, hat sie das Glück, in einer kleinen Klasse mit nur 60 Schülern unterrichtet zu werden. Üblicherweise sind es 150 und mehr Schüler, was hierzulande völlig undenkbar wäre. So ist zum Beispiel auch einer ihrer Lehrer gefoltert worden, weil er sich für die Gleichberechtigung und Bildung eingesetzt hat. Der Leser erfährt durch Urmila nicht nur von ihrem Schicksal, sondern auch sehr viel von den anderen Traditionen und Sitten in Nepal. Das Buch wird durch Adressen von Hilfsorganisationen, einigen Fotos von Urmila und einem aufrüttelnden Vorwort von Senta Berger ergänzt. Sie schreibt, sie wünsche sich, dass das Buch von vielen Mädchen und Frauen gelesen wird. Dem wäre nur hinzuzufügen, dass Urmila Chaudharys Buch „Sklavenkind“ auch von vielen Jungen und Männern gelesen werden sollte!

Sklavenkind von Urmila Chaudhary und Nathalie Schwaiger

Sklavenkind
Knaur Verlag 2011
Hardcover mit Schutzumschlag
328 Seiten
ISBN 978-3-426-65497-2

Bildquelle: Knaur Verlag
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