Buchrezension: „SexLügen“ von Denise Harris – Zwischen Tabubruch und Klischeeüberladung

Buchcover des Romans SexLügen

Ein Pseudonym als Schutzschild

Autoren greifen nicht selten zu einem Pseudonym, wenn sie nicht persönlich mit einem kontroversen Werk in Verbindung gebracht werden möchten. Besonders in der erotischen Literatur ist dies weit verbreitet – und im Fall des Romans SexLügen* erscheint es fast selbstverständlich. Denn die Hauptfigur Denise Harris, die offenbar identisch mit der Autorin ist, erlebt in der Handlung zahlreiche sexuelle Begegnungen – mit über 300 Männern und zwei Frauen.

Vom Ehebruch in die Krise

Durch ein Telefonat mit Mr. Murdock von der First Interstate Bank erfährt Denise, dass ihr Ehemann Ronald nicht nur sämtliche gemeinsamen Konten überzogen hat, sondern auch drei Monatsraten für das Haus offen sind. Ronald verbringt seine Zeit lieber bei seiner Geliebten Ellen und erklärt sich praktisch für zahlungsunfähig. Statt Unterstützung rät er Denise, sich eine günstige Wohnung und einen Job zu suchen.

Nur drei Wochen nach einer Fehlgeburt, bei der sie ihr Kind in der 20. Schwangerschaftswoche verliert, wird Denise vergewaltigt. Sie nimmt daraufhin 25 Schlaftabletten und erwacht in einer Klinik – traumatisiert und ohne Perspektive.

Vom Absturz zum Escort-Service

Um den drohenden finanziellen Ruin zu verhindern, nimmt Denise eine Stelle bei einem Escort-Service an. Unter dem Decknamen „Danielle“, einer angeblichen Austauschstudentin aus Paris, wird sie auf einer Website buchbar gemacht. Kaum zweieinhalb Stunden nach dem Upload ihrer Profilbilder erhält sie ihre erste Buchung.

Nur vier Wochen später zählt Denise bereits rund zwanzig verschiedene männliche Kunden. Dabei scheint keiner der Männer sie nur wegen gesellschaftlicher Anlässe wie Opernbesuchen, Jazz-Festivals oder Sportveranstaltungen zu buchen.

Zwischen Realität und Überzeichnung

SexLügen* ist die Fortsetzung des Romans SexLust*. Auch wenn sich die Autorin mit ihrer Protagonistin identifiziert, wirkt die Handlung eher wie eine überzeichnete Fantasie als ein autobiografischer Bericht. Die Fülle extremer Ereignisse und sexueller Eskapaden lässt kaum Raum für Glaubwürdigkeit oder emotionale Tiefe.

Dabei hätte die Geschichte durchaus das Potenzial für einen bewegenden Schicksalsroman. Die Autorin überzeugt stellenweise mit flüssigem Stil und gut platzierten Zeitsprüngen. Doch der Plot leidet unter der übermäßigen Anhäufung klischeebeladener Szenen und einem Mangel an subtiler Erotik oder inhaltlichem Tiefgang.

Klischees statt Charakterentwicklung

In SexLügen* werden nahezu alle denkbaren Tabus bedient: Von analer Vergewaltigung, Gruppensex mit kirchlichen Würdenträgern über den „überdimensionalen Penis eines Farbigen“ bis hin zu lesbischem Sex und einem sadistischen Bankmanager – kein Klischee scheint der Autorin zu extrem.

Auch Drogenkonsum ist ein Thema: Die Protagonistin greift wiederholt zu Kokain. Hygiene, Verhütung und emotionale Verarbeitung sexueller Erlebnisse scheinen hingegen nur am Rande thematisiert. Zwar reflektiert Denise gelegentlich über die Risiken, doch bleibt dies oberflächlich und wird durch übertriebene Darstellung oft entwertet.

Fazit: SexLügen* ist ein provokanter Roman, der mehr auf Schockmomente als auf erzählerische Qualität setzt. Wer literarische Tiefe, differenzierte Charaktere oder glaubhafte Entwicklungen sucht, wird hier enttäuscht. Wer jedoch eine extreme, tabubrechende Erzählung voller erotischer Klischees erwartet, wird definitiv fündig – auch wenn der moralische und gesellschaftskritische Unterbau weitgehend ausbleibt.

SexLügen von Denise Harris

Buchcover des Romans SexLügen
Blue Panther Books 2012
Taschenbuch
244 Seiten
ISBN 978-3-86277-102-8

Bildquelle: Blue Panther Books

Teile diesen Beitrag