Ich bin ja heut so glücklich von Charlotte Roth

Roman nach einem wahren Schicksal!

Ich bin ja heut so glücklichCharlotte Roth zeichnet in ihrem Roman „Ich bin ja heut so glücklich“ das kurze Leben der Sängerin und Schauspielerin Renate Müller nach: Ende des Jahres 1918 feiert ihre Familie gemeinsam mit den Nachbarn Lohse im oberbayerischen Emmering den ersten Jahreswechsel in Friedenszeiten. Renate Müller ist zu dem Zeitpunkt zwölf, der Nachbarsjunge Werner, überzeugt davon, eines Tages ihr Ehemann zu werden, fünfzehn Jahre alt. Fünf Jahre später verschweigt Renate ihrem Vater, dass sie beim Latinum in der ihr verhassten Schule durchgefallen ist. Da er jedoch von einer bestandenen Prüfung ausgeht, darf sie zur Belohnung Gesangsunterricht am Danziger Stadttheater nehmen. In dieser Stadt trifft sie zufällig auch Werner wieder, der ihr völlig mittellos gegenübersteht. Mit ihrem ersparten Geld greift sie dem Freund aus Kindheitstagen unter die Arme, damit sich dieser eine Existenz als Antiquitätenhändler aufbauen kann.

In Berlin sieht Renate im Jahr 1926 endlich ihre Chance gekommen, ihren Traum bei der Filmunternehmung UFA zu verwirklichen. Zwei Jahre später ist sie mit ersten Rollen am Theater zu sehen und zu Silvester 1930 nimmt sie bereits Gratulationen zu ihrem Erfolg entgegen. Renate ist der gefeierte Star, zu dem alle aufblicken. Von Lampenfieber geschüttelt rettet sie der Bankier Georg Deutsch vor dem Ansturm der Reporter. Sie verliebt sich in den gutaussehenden Mann und leistet sich ein eigenes Haus im noblen Berliner Stadtteil Dahlem. Während sie zu Dreharbeiten in Ägypten weilt, ist Adolf Hitler zum Reichskanzler gewählt worden, was erste Schatten auf ihre Beziehung zu Georg wirft, der Jude ist. Schon werden Menschen jüdischer Abstammung aus der Filmbranche verbannt, und Renate muss immer öfter und über längere Zeit ohne Georg leben, was sie immer tiefer abrutschen und reichlich dem Alkohol zusprechen lässt. Einzig ihre bisexuelle Freundin Sybille Schmitz ist ihr in dieser Zeit noch eine Stütze.

Charlotte Roth hat ihren Roman „Ich bin ja heut so glücklich“ in Kapitel unterteilt, die in erster Linie den erschütternden Werdegang von Renate Müller betreffen. Doch ist im Plot auch viel vom Leben ihrer Schauspielkollegin Sybille Schmitz zu erfahren sowie vom fiktiven Werner Lohse, der letztlich als Chauffeure für den nationalsozialistischen Politiker Joseph Goebbels arbeitet, wobei sich seine Wege in Ausübung seiner Tätigkeit wiederholt mit denen von Renate Müller kreuzen. Dass im Roman unzählige Filmtitel mit interessanten Hintergrundinformationen oder auch Namen von Filmproduzenten bis hin zum Kameramann oder Aufnahmeleiter und sogar der Erwähnung der Windmaschine eines Flugzeugrotors, der die Haare von Renate Müller in Bewegung halten sollte, zu finden sind, ist für sich gesehen schon beachtlich. Aber die Autorin hat selbst zur Person von Joseph Goebbels und der Zigarettenmarke Massary Diplomat, die eine ihrer Handlungsperson raucht, weitergehende Recherchen betrieben.

In flüssigem Schreibstil führt Charlotte Roth die Leser auf zahlreiche Nebenschauplätze und hat an den krassen Unterschied von Arm und Reich mit der Feststellung erinnert, dass damals auf der einen Seite Kinder verhungert sind, während sich reiche Leute den Luxus im KaDeWe, im Kaufhaus des Westens, leisten konnten. Wie so viele Menschen hatte Renate Müller das Pech, in einer Zeit zu leben, in der Juden ausgemerzt wurden und ein gemeinsames Leben mit ihrem geliebten Georg Deutsch keine Zukunft hatte. Überliefert ist, dass Goebbels die junge Frau unter Beobachtung gestellt hat, nachdem diese einer Einladung Hitlers nicht gefolgt ist. Um ihr die geplante Ausreise zu ihrem emigrierten Freund Georg zu verwehren, wurde ihr Pass eingezogen. Ob die Gestapo für den Tod der erst einunddreißigjährigen Frau am 7. Oktober 1937 verantwortlich war, sie sich aus Verzweiflung oder im Alkoholrausch aus dem Fenster gestürzt hat, konnte nie geklärt werden. Das mit einem umfangreichen Glossar endende, beachtliche Werk ist allen an der Filmbranche interessierten Lesern sehr zu empfehlen.

Ich bin ja heut so glücklich von Charlotte Roth

Ich bin ja heut so glücklich
Droemer Verlag 2023
Taschenbuch
416 Seiten
ISBN 978-3-426-30752-6

Bildquelle: Droemer Verlag
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