Entschuldigen Sie meine Störung von Jan-Uwe Fitz

Entschuldigen Sie meine StörungJan-Uwe Fitz fühlt sich selbst in dem Wahnsinnsroman „Entschuldigen Sie meine Störung“ verfolgt. Einer Gruppe von Bauarbeitern mit Presslufthammer und Betonmischer kann er nicht entkommen. Er hat panische Angst vor Menschen und kann sich nicht länger als zehn Minuten auf einer Party aufhalten, bis er sich davon stiehlt. Auf jede Berührung muss er vorbereitet sein und verliebt sich andererseits sofort in jeden, der ihn berührt. In Selbstgesprächen offenbart er, was bei ihm alles peinlich wirkt, bei einem George Clooney aber voll cool wäre. Man erfährt von ihm Tipps, wie soziale Phobiker ihre Störungen in den Griff bekommen können. Die Kaffeekränzchen bei seinen Nachbarn sind ihm zuwider und seine Eltern hat er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen. Die Menschen möchte er umerziehen, damit er sie überhaupt ertragen kann und auf der Suche nach einem Psychiater landet er bei einem Metzger.

Im Wald hat er weniger Angst, denn die Bäume waren immer anständig und höflich zu ihm. Um seine Ängste beherrschen zu können, möchte er in einer Privatklinik aufgenommen werden. Da ihm das Geld jedoch fehlt, lässt er seine Patientenkarte von einem Computer-Fachmann manipulieren. Dem Therapeuten sagt er, dass er unter Burn-out zu leiden hat. Das Zimmer teilt er sich mit einer Frau, der er sich aber nicht zu erkennen gibt. Eines Morgens liegt sie tot im Bett, woran er nicht unbeteiligt ist. Ein anonymer Schreiber rät ihm, die Klinik schnellstens zu verlassen, wo jeder nur den anderen übertrumpfen will und wo Neid und Missgunst vorherrschen. Als er das Problem der Bauarbeiter anspricht, die ihn verfolgen, verbannt man diese auf einen Balkon. Und bei der Verabschiedung gesteht ihm sein Therapeut, dass er gar kein Therapeut ist. Jan-Uwe Fitz besucht den Ehemann der ermordeten Frau aus der Klinik, gesteht den Mord, wird fotografiert und kommt in die Zeitung. Nun hat er endlich einen Grund Angst zu haben. Ein Auftragskiller wird auf ihn gehetzt, der ihn jedoch nicht umbringt, weil er glaubt, die größte Strafe ist ihn am Leben zu lassen.

„Entschuldigen Sie meine Störung“ von Jan-Uwe Fitz ist, wie schon dem Cover zu entnehmen, in der Tat ein Wahnsinnsroman. Er ist ungewöhnlich in den geschilderten Episoden, in denen der Autor von sich selbst in der Ich-Form spricht. Leicht zu lesen ist es nicht und man fühlt sich auch nicht gedrängt, weiter zu lesen. Doch die Aussagen selbst, wenn sie auch in skurrile Geschichten eingebettet sind, sind kritisch: Menschen sind leicht manipulierbar, man muss es ihnen nur geschickt genug verkaufen. Die meisten Leser sind dumm wie Brot und er beklagt die fehlende Zivilcourage bei Angriffen. Kinder haben den Eltern viel zu verdanken, sogar ihre psychischen Störungen. Er spricht von alberner Pädagogik, wobei die Taufe ein Grundpfeiler ist. Gute Therapeuten findet man kaum und selbst nach zehn Jahren gibt es keine Fortschritte. Der Gesellschaft, nicht den Computern, gibt er die Schuld an Amokläufen und an einer Stelle wirft er die Frage auf, ob man für Entwicklungshilfe ins Ausland muss. In Privatkliniken werden viele gesunde Menschen für viel Geld behandelt und der Staat möchte willfährige und kritiklose Bürger. Er hat Zweifel an der Kompetenz der Ärzte und positive Artikel in der Presse sind sowieso gekauft. In Gruppentherapien wird der Mensch gebrochen und die Begriffe Akzeptanz und Toleranz gehören der Vergangenheit an. Jan-Uwe Fitz beschreibt in „Entschuldigen Sie meine Störung“ die dunklen Seiten der Menschen, durch geschickte Verunsicherung werden wir mundtot gemacht und zu guter Letzt stellt sich der Leser die Frage, wer die Irren sind. Sind es die scheinbar normalen Menschen?

Entschuldigen Sie meine Störung

Entschuldigen Sie meine Störung
Dumont Verlag 2011
Taschenbuch
288 Seiten
ISBN 978-3-8321-6147-7

Bildquelle: Dumont Verlag
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