Im vierten Band der Serie „Zauberhaftes Lütteby“ ist der einzige Wermutstropfen für Lina Hansen, die als Leiterin in der Touristeninfo arbeitet und erst vor wenigen Monaten Jonas geheiratet hat, dass sie ihren Kinderwunsch vorerst wegen seiner vielen Geschäftsreisen zurückstellen muss. Ihre Freundin Pastorin Sinje war mit Gunnar verlobt und würde liebend gerne mit Sven zusammenkommen, der allerdings Vater von Carla ist, die für ihn oberste Priorität hat. Obwohl Sinje dafür Verständnis hat, wenn Carla lieber ihre Eltern vereint sehen würde, betrübt sie das. Die Französin Amelie ist die dritte im Bunde, der es schwerfällt, sich mit ihrer Vergangenheit auszusöhnen. Seit sie Frankreich enttäuscht den Rücken gekehrt hat, weil Jules sie für eine Andere sitzen ließ, betreibt sie mit ihrem Partner Pascal ein Café. Als Jules eines Tages plötzlich wieder vor ihr steht und eine zweite Chance möchte, gerät ihr Leben aus den Fugen.
Falk van Hove, Bürgermeister von Lütteby und Vater von Lina, würde gerne wieder mit ihrer Mutter Florence zusammenkommen, was die beiden jedoch noch für sich behalten. Vielmehr ist Lina erstaunt, das Medaillon ihrer Mutter bei ihm zu finden. Da ihm ein renovierungsbedürftiges Hochhaus ein Dorn im Auge ist, verfolgt er den Abriss des Hauses, worauf ihm allerdings von den zumeist alten Bewohnern heftiger Gegenwind entgegenschlägt. Sinje bittet deshalb Sven, sich als Architekt und Bauingenieur das Haus anzusehen, der sich begeistert von ihren Plänen einer Dachbepflanzung zeigt und darüber hinaus auch noch eine ökologische Fassadenbegrünung empfiehlt. Auf dem Fest der Grachtenweihnacht zeigt sich der Bürgermeister über die spontanen Hilfsangebote der Anwohner für die Unterbringung der Mieter während der Sanierung erfreut.
Doch besonders für Lina existiert neben dem Kinderwunsch noch ein weiteres Problem: Einer alten Sage nach gibt es ein Unglück, wenn die Kirchenglocken zu Heilig Abend nicht läuten. Jedem ist die Flutkatastrophe aus dem Jahr 1717 bekannt, die ein junges Mädchen seinerzeit prophezeit hat, weil das Glockenspiel nicht erklang. So machen sich nicht nur die drei Freundinnen Amelie, Sinje und Lina Gedanken, wie das Geld für ein neues Glockenspiel zusammenkommen könnte. Doch trotz aller Bemühungen gelingt es ihnen nicht. Längst liegt Lütteby unter einer Schneedecke und das Weihnachtsfest steht vor der Tür. Schwere Unwetter und eine starke Sturmflut kündigen sich an.
In dem Roman Der Winter zaubert Träume am Meer* von Gabriella Engelmann wird die Handlung von Kapiteln, die im 18. Jahrhundert angesiedelt sind, unterbrochen, in denen die siebzehnjährige Maren von einem fürchterlichen Unglück träumt. Tatsächlich hat es zum Weihnachtsfest im Jahr 1717 eine verheerende Sturmflut gegeben, die außer in Deutschland auch in den Niederlanden und Dänemark die Deiche brechen ließ. Die Wassermassen rissen Häuser mit sich, unzählige Pferde, Rinder, Schafe und Schweine sowie über Zehntausend Menschen fanden den Tod. Ebenfalls dokumentiert ist die im Roman erwähnte Sturmflut wenige Wochen später im Februar.
Die Handlung des vierten Bandes von Gabriella Engelmann, der ein flüssiger Schreibstil nicht abgesprochen werden kann, plätschert im Grunde nur so dahin. Die Handlungspersonen reden über belanglose Dinge und die einzige Dramatik ist, dass Lina unter der Fernbeziehung mit ihrem geliebten Jona leidet, Pastorin Sinje mit der Existenz einer Tochter von ihrem Sven leben muss, Linas Oma Henrikje nicht so recht weiß, ob sie mit Thorsten zusammenkommen soll und Amelie zwischen Jules und Kai Brodersen, dem Verkäufer eines Trödelladens, hin und hergerissen ist.
Leser, die von einem Plot keinen Tiefgang erwarten und denen „zarte Küsse, Nächte voller Erotik und Leidenschaft“ reichen, sind hier genau richtig. Doch nicht, dass hier ein Missverständnis aufkommt: Erotik bleibt in dem jugendfreien Roman außen vor, das Wort alleine muss die Fantasie des Lesers beflügeln. Vielleicht hat es Gabriella Engelmann auch zur Bestseller-Autorin geschafft, weil sich so viele Frauen in eine Welt träumen, in der sie der Mann als Frauen-Versteher fragt, ob es in Ordnung ist, wenn er sie jetzt küsst. So, wie einige dahinschmelzen, wenn sie über die Königshäuser das Neueste erfahren, macht sie vermutlich die Vorstellung glücklich, in einem „wunderschönen Himmelbett“ aufzuwachen, ein „Schaumbad in freistehender Badewanne“ zu genießen und sich vorzustellen, dass die Männer „unfassbar heiß und ultrasexy“ aussehen und mit einer „Stimme weich wie Samt“ reden. Man muss es mögen, diese Art von Roman, der im Übrigen am Ende noch mit alten Rezepten aufwarten kann.
Der Winter zaubert Träume am Meer von Gabriella Engelmann
Knaur Verlag 2024
Klappenbroschur
272 Seiten
ISBN 978-3-426-21753-5