Der Honigmann: Zerfall einer Nachbarschaft

Buchcover des Romans Der Honigmann

Idylle in Fischbach

Fischbach ist für seine Bewohner ein Kleinod, in dem sich besonders drei Familien wohlfühlen: Der im Homeoffice arbeitende Programmierer Tim Klugmann, seine Lebensgefährtin Fine Burg, eine Schauspielerin, und die gemeinsame Tochter Carla. Die stellvertretende Chefredakteurin Katja und ihr Ehemann Robert, der als Layouter keine Anstellung mehr findet und deshalb zu Hause die Kinder Nick und Justus versorgt. Controller Albert und seine Ehefrau Louisa mit den Kindern Juno, Merle und Kitta. Die drei befreundeten Paare grillen und feiern gerne zusammen und frönen dabei ausgelassen ihrer Lebensfreude.

Der Skandal um den Honigmann

Doch eines Tages deckt die Mutter eines Schulkindes einen Skandal auf, und ein ominöser Brief macht die Runde: Dietmar Köhler, den alle nur den „Honigmann“ nennen, weil er einen kleinen Laden mit Honig, Tee und Dekorationsartikeln eröffnet hat, soll ein vorbestrafter Pädophiler sein.

Schulleiter Dr. Lars Riemann ist unschlüssig, ob seine Verantwortung am Schultor endet – zumal der Laden des Honigmanns in unmittelbarer Nähe liegt. Er lädt zu einer Elternversammlung ein, in der kontrovers diskutiert wird, ob jemand, der seine Strafe abgesessen hat, nicht eine zweite Chance verdient. Als niemand mehr beim Honigmann einkauft, wendet sich Riemann, der Ärger auf Fischbach zukommen sieht, an Hauptkommissar Andreas Schager.

Misstrauen und private Krisen

Tine richtet für die Mütter die WhatsApp-Gruppe „Honigmann“ zwecks Austauschs ein. Tim, der sich einmal pro Woche heimlich mit Robert zum Kiffen trifft, tauscht mit ihm recherchierte Informationen aus – zumal er Zweifel hegt, ob der Honigmann überhaupt Dietmar Köhler ist. Über diesen findet man lediglich in Honig-Foren vage Hinweise.

Unterdessen macht sich der arbeitslose Robert Sorgen um die Zukunft, da die Abfindung nicht mehr für Fernreisen, Kreuzfahrten und Skitrips reicht. Aus Verzweiflung greift er zum Alkohol – was auch Louisa nicht entgeht, obwohl sie selbst zum übermäßigen Konsum neigt. Als ehemalige Kunststudentin fiebert sie einer Vernissage entgegen und macht sich Hoffnungen auf das Haus von Robert und Katja. Denn als einzige der Freunde wohnt sie mit Albert nur zur Miete.

Eskalation und Verdacht

Wie von selbst formiert sich eine Gruppe von Demonstranten gegen den Honigmann, sodass sich Schager genötigt sieht, mit Mannschaftswagen den Laden abzusichern. Robert sorgt sich unterdessen um Justus, dem es zunehmend schlechter geht. Wie dieser seinem Vater anvertraut, sei der Honigmann sein Freund, mit dem er ein Geheimnis teile – was Robert zu Spekulationen veranlasst.

Dann geht der Laden des Honigmanns in Flammen auf. Die Polizei geht von Brandstiftung aus, weshalb Schager eine Mordermittlung einleitet.

Figuren und Dynamik im Roman

Peter Huth hat seinen Roman Der Honigmann* überwiegend im Erzählstil verfasst, wobei die Perspektive immer wieder zwischen verschiedenen Protagonisten wechselt. Der Autor zeigt eindrücklich, wie schnell Neid in Hass umschlagen kann.

Die drei Frauenfiguren könnten kaum unterschiedlicher sein: Louisa will sich mit ihrer Ausstellung profilieren und kennt kein Maß beim Alkoholkonsum. Katja verzichtet völlig auf Alkohol, joggt bereits vor der Büroarbeit und spielt dreimal pro Woche Tennis. Fine beobachtet die Verwandlung der Bewohner mit Kopfschütteln – zunächst treten sie reihenweise der WhatsApp-Gruppe bei, um dann wieder auszutreten.

Der Honigmann als Projektionsfläche

Dietmar Köhler, der zu Beginn auf alle einen freundlichen Eindruck gemacht hat, wird plötzlich gemieden. Er steht für die Zerstörung ihrer „wunderbaren Welt“, und unter den Bewohnern macht sich Misstrauen breit. Freunde werden zu Feinden, Kinder dürfen nicht mehr bei ihren Schulkameraden übernachten, und die Eltern fragen sich, ob eines ihrer Kinder bereits vom Honigmann missbraucht wurde.

Wie beim Spiel „Stille Post“ macht ein Gerücht die Runde – jeder dichtet im Flüsterton etwas dazu und will beim Tratsch mitreden.

Fazit: Alles wie vorher, nichts wie früher

Auf eindrückliche Weise zeigt Peter Huth, wie sich eine Nachricht verselbstständigt und bei Tim Zweifel aufkommen lässt, was an dem ist, was sich alle einbilden: „Man bildet sich schnell Dinge ein, wenn nur alle sie oft genug wiederholen.“

In Fischbach ist am Ende „alles wie vorher“, aber „nichts wie früher“. Der Roman Der Honigmann* beleuchtet den Verfall einer intakten, auf Freundschaft basierenden Nachbarschaft – ein Prozess, den der Leser von Anfang an mit Spannung und wachsendem Unbehagen verfolgt.

Der Honigmann von Peter Huth

Buchcover des Romans Der Honigmann
Droemer Verlag 2025
Taschenbuch
256 Seiten
ISBN 978-3-426-44984-4

Bildquelle: Droemer Verlag

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