Taupunkt von Thore D. Hansen

TaupunktImmer häufiger gibt es in unseren Breiten heiße Sommer, zuletzt in den Jahren 2003, 2018, 2019 und auch das Jahr 2022 hat uns wieder einen Hitzerekord beschert. Extreme Trockenheit auf der einen Seite, auf der anderen verheerende, todbringende Flutkatastrophen wie in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Nach Aussage von Andreas Becker, Leiter der Abteilung Klimaüberwachung des Deutschen Wetterdienstes, ist der „Klimawandel in Deutschland voll angekommen“. Dabei spüren ausgerechnet die ärmsten Länder der Welt, die nicht einmal zur Erderwärmung beitragen, die Folgen in ungeahntem Ausmaß. Noch will kaum jemand auf liebgewonnene Gewohnheiten wie Reisen, stromabhängige Haushaltsgeräte oder aus fernen Ländern importierte Lebensmittel verzichten. Doch die Proteste von Klimaaktivisten wie in Lützerath mehren sich, wenn auch ihre Forderungen erfolglos sind, und was geschieht, wenn die Erderwärmung weiter fortschreitet und die nächsten Sommer uns noch schlimmere Naturkatastrophen bescheren? Dieses Szenario hat Thore D. Hansen in seinem Klimaroman „Taupunkt“ heraufbeschwört:

Der Präsident des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung Tom Beyer arbeitet mit seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Lil Marrow, mit der er eine Affäre hat, in New York an dem von ihm entwickelten Phönix-Programm zur Rettung der Menschheit vor dem Hintergrund der zunehmenden Auswirkungen des weltweiten Klimawandels. Doch von den für jeden einzelnen spürbaren Einschränkungen der Freiheitsrechte will der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nichts wissen. Enttäuscht kehrt Tom mit Tochter Mareike nach Deutschland zurück. Mit Gunnar Ragnarsson arbeitet er in Reykjavík an der weltweit größten Apparatur zur Pressung von CO2, um die Klimaprobleme in den Griff zu bekommen. Da erreicht ihn ein Anruf seiner Sekretärin aus New York, dass Lil nach der Veröffentlichung eines Videos bei einem Attentat schwer verletzt wurde. Doch wer hat das ins Netz gestellt und mit welcher Absicht? Da immer neue Hitzerekorde das Leben zunehmend unerträglich machen, weiht Tom seinen Freund Gunnar in das Phönix-Programm ein.

Ende Mai misst man in Berlin bereits über 40° und auch Toms Bruder Robert, der als Landwirt auf dem elterlichen Hof in Nordfriesland arbeitet, kämpft mit den Wassereinschränkungen zugunsten der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Durch die Verbundenheit seiner Tochter Janne mit Toms Tochter Mareike kommt es zum Wiedersehen der beiden verfeindeten Brüder. Während Robert an die Verschwörungstheorien der Leugner des Klimawandels glaubt, kämpft seine Tochter Janne als Klimaaktivistin und verehrt ihren Onkel Tom. Inzwischen haben Dürre und Waldbrände zu Ernteausfällen geführt, Lebensmittel werden knapp, immer mehr Hitzetote sind zu beklagen, aufgeweichter Asphalt auf den Startbahnen verhindert Flüge und Schienenverformungen lassen Züge entgleisen. Nach einem Stromausfall verbarrikadieren sich die ungleichen Brüder mit ihren Kindern auf dem elterlichen Hof und fürchten angesichts bewaffneter Plünderer um ihr Leben.

Thore D. Hansen hat seinen Roman „Taupunkt“ dem Umstand gewidmet, dass bei diesem alles entscheidenden Thema ein Riss durch die Gesellschaft und Familien geht. Er macht deutlich, dass es bereits zu spät ist, den Klimawandel zu stoppen. Wie sein Protagonist Tom während einer Rede anlässlich einer Bundespressekonferenz ausführt, hat Naomi Oreskes, Professorin an der Harvard University, bereits vor 20 Jahren unverständlich auf die Leugner des menschengemachten Klimawandels reagiert. An anderer Stelle ist von „einer Minderjährigen aus dem fernen Skandinavien“ die Rede, womit unmissverständlich Greta Thunberg gemeint ist.

Zugegeben, „Taupunkt“ ist nur ein Roman, der zeitlich in einer mehr oder weniger weiten Zukunft angesiedelt ist. Doch wer einen Blick auf die Erderwärmung und die zunehmenden Naturkatastrophen der letzten einhundert Jahre wirft, wird eine Beschleunigung der Zunahme nicht bestreiten können. Thore D. Hansen stellt im Plot im Zusammenhang mit der für den Fleischkonsum nötigen Abholzung des Regenwaldes fest, „Wo die Nachfrage versiegt, endet auch die Zerstörung“ und führt vor Augen, welche Folgen ein Stromausfall haben kann, wenn die Infrastruktur zusammenbricht und der Mensch bei schwülen Temperaturen über 40° kaum das Haus verlassen kann, denn verdorbenes Tiefgefrorenes kann ihn nicht ernähren, wie es in früheren Zeiten Eingemachtes gekonnt hätte. Und ohne Strom kann Google niemand den Weg weisen, wie es einst Landkarten vermochten. Vielleicht kann der Autor mit seinem informativen und spannenden Klimaroman den einen oder anderen Leser nachdenklich stimmen, damit auch noch unsere Enkelkinder auf diesem Planeten ein menschenwürdiges Leben führen können.

Taupunkt von Thore D. Hansen

Taupunkt
Europa Verlag 2023
Klappenbroschur
272 Seiten
ISBN 978-3-95890-470-5

Bildquelle: Europa Verlag


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