Karneval am Titicacasee von Ulrich Brinkhoff

Karneval am TiticacaseeUlrich Brinkhoff, der in den Jahren von 1963 bis 1971 als Botschafter für das Auswärtige Amt Bonn tätig war, stellt mit seinem Reisebericht „Karneval am Titicacasee“ den letzten Teil seiner Trilogie vor. Mit seiner Frau SooRyun mietet er in Bolivien einen Bungalow, wo sich das Paar Katzen, Hühner und Lamas hält. Sein Auto muss er wegen des geringen Sauerstoffanteils in der Luft mit einem speziellen Vergaser ausstatten lassen, denn auch Flugzeuge können nur mit besonderen Triebwerken die hoch gelegene Stadt La Paz anfliegen. Immer wieder berichtet er von durch Erdrutsche versperrten Straßen, und häufig fährt das Paar mit dem Auto auf den Chacaltaya bis zum Plateau auf 5202 Metern, was sonst nirgendwo auf der Welt möglich wäre. Wie der Autor zu berichten weiß, war der Berg im Gegensatz zu heute damals noch von einem Gletscher überzogen.

Auf abenteuerliche Weise wird sein Fahrzeug während eines Ausflugs in Argentinien von einem LKW abgeschleppt, nachdem es im unwegsamen Gelände durch eine Panne fahruntüchtig wurde. Es überrascht Ulrich Brinkhoff auch nicht, wenn sich auf den Schotterpisten Kabel vom Anlasser lösen, die anstelle einer Verschraubung lediglich durch eine Steckverbindung gehalten werden. Kurzerhand fügt er sich in sein Schicksal und kriecht unter das Auto. Ein besonderes Highlight ist für ihn die Teilnahme am „Karneval am Titicacasee“, in der in den Anden gelegenen Stadt Oruro. Auf seinen Ausflügen, bei denen ihn immer seine Frau begleitet, muss er auch schon mal mit sehr einfachen Unterkünften vorlieb nehmen, und für beide findet die Morgentoilette nur an einem vom Berg auf die Straße fließenden Wasserfall statt.

Der Autor schreibt freimütig von unzähligen Partys, auf denen es gelegentlich auch freizügig zuging und kann von kuriosen Geschichten wie den Fund eines alten Indianerpfluges berichten, der heute als Lampe in seinem Wohnzimmer zu bewundern ist. Er verschweigt aber auch nicht so Schockierendes und Unglaubliches, dass Eltern in Kolumbien ihre Kinder just in dem Moment auf die andere Straßenseite locken, wenn ein Auto kommt, das sie umfahren könnte, nur um dann ihre Hand für Geld aufzuhalten.

Als sich der damalige Außenminister Walter Scheel, Ulrich Brinkhoffs oberster Dienstherr, mit seiner Gattin ankündigt, muss er Vorbereitungen für seinen Besuch treffen. In nächster Nähe wohnt er dem glimpflich verlaufenden Attentat auf den Politiker bei. Nach seinem letzten Arbeitstag als Botschafter nutzt er mit SooRyun die verbleibenden Urlaubstage für eine Reise nach Peru, Chile, Argentinien und Gambia, bevor es wieder nach Deutschland geht. Im Jahr 1975 trifft ihn mit dem Tod seiner nur achtundzwanzig Jahre alt gewordenen Frau ein herber Schicksalsschlag.

Wer bereits die ersten beiden Bände dieser Trilogie gelesen hat, wird schon voller Vorfreude dem letzten Teil entgegen gesehen haben. Ulrich Brinkhoff kann auch in „Karneval am Titicacasee“ die Erwartungen seiner Leser erfüllen: Er gewährt Einblicke in sein Privatleben und punktet wieder mit einer Menge interessanter Informationen, die von aktuellen, weltpolitischen Ereignissen ergänzt werden. Einige mögen ihn um seine Erlebnisse beneiden, doch ändert sich das schnell, wenn von einsturzgefährdenden Straßenabschnitten die Rede ist, die über eine Distanz von einhundert Metern nur von einem Fahrzeug passiert werden dürfen, wovon übrigens Fotos in dem Buch Zeugnis ablegen. Auch wenn diese wegen zu hoher Produktionskosten nur in schwarz-weiß abgebildet sind, so üben sie dennoch eine atemberaubende Faszination auf den Betrachter aus und sind eine Ergänzung zu den teilweise spannenden Texten.

Karneval am Titicacasee von Ulrich Brinkhoff

Karneval am Titicacasee
agenda Verlag 2016
Broschiert
218 Seiten
ISBN 978-3-89688-549-4

Bildquelle: agenda Verlag
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