C. J. Flood nimmt sich in ihrem Jugendroman Wen liebst du, wenn ich tot bin?* einem heiklen Thema an, denn es geht darin um den Tod eines jungen Menschen. Schon im Prolog wird das spätere Geschehen vorweggenommen: Ein erst Fünfzehnjähriger liegt im Grab. Zur Handlung: Die noch dreizehn Jahre alte Iris lebt mit ihrem Vater und dem fünfzehnjährigen Bruder Sam auf der Silverweed-Farm im englischen Ashbourne, nachdem sich ihre Mum vor drei Monaten auf unbestimmte Zeit zwecks Selbstverwirklichung verabschiedet hat. Im Gegensatz zu Iris Vater, der mit Entrüstung und voller Abneigung zur Kenntnis nimmt, dass sich Zigeuner auf der Pferdekoppel niedergelassen haben, ist das Mädchen neugierig auf die Menschen. Sie beobachtet einen Jungen, der kaum älter ist als sie und folgt ihm. Mit Trick, der irischer Abstammung ist und für den die Ansässigen Gadschos sind, freundet sie sich an und verbringt fortan ihre Freizeit. Das wiederum gefällt ihrer Freundin Matty gar nicht, die eifersüchtig ist und auf Rache sinnt.
Trick und Iris vertrauen einander bei jedem Treffen mehr und das Mädchen kann nicht begreifen, warum allen Menschen die Zigeuner ein Dorn im Auge sind. Ihr Vater sieht in ihnen nur Schmarotzer, die überall ihren Müll hinterlassen, bevor sie weiterziehen. Als eines Tages Werkzeuge aus seinem Schuppen gestohlen werden, steht für ihn fest, dass nur die Zigeunerbande dahinterstecken kann. Wenn Iris auch vom Gegenteil überzeugt ist, will sie Trick darauf ansprechen. Doch beim nächsten geheimen Treffen im Maisfeld sieht sie mit Entsetzen, dass sein rechtes Auge geschwollen und seine Nase gebrochen ist. Ausgerechnet Matty verrät ihre frühere Freundin, woraufhin Iris vom Vater streng bewacht wird, damit sie „diesen Jungen“ nicht mehr treffen kann.
Der Hass des Vaters gegenüber den Zigeunern geht so weit, dass er der Mutter von Trick, die für ihr krankes Baby um Wasser bittet, ihr dieses verweigert. Iris, die nur noch an die schönen und friedvollen Stunden mit Trick denken kann, stiehlt sich für ein Treffen mit ihm nachts aus dem Haus. Bei ihrer Rückkehr empfängt sie Sam in der Küche, der sich seit dem Weggang der Mutter nicht nur äußerlich verändert hat und den Iris kaum wiedererkennt. Er ist nicht nur kahlgeschoren, sondern pflegt auch Umgang mit Punky Beresford, der nicht vor dem Gebrauch eines Messers zurückschreckt. Noch am selben Abend kommt es zum Streit zwischen Vater und Sohn und wenig später eskaliert ein Zusammentreffen mehrerer Jugendlicher auf der Straße, in deren Verlauf das vorhersehbare Unglück seinen Lauf nimmt.
Die emotional aufwühlende Geschichte, die von der Protagonistin in der Ich-Form erzählt wird, könnte sich überall zugetragen haben, wenn auch nicht immer Zigeuner der Anlass sein müssen. Gesellschaftliche Differenzen hat es immer gegeben und es wird sie immer wieder geben. Die Motive sind austauschbar. Neben dieser Problematik thematisiert C. J. Flood in ihrem Jugendbuch Wen liebst du, wenn ich tot bin?* auch das gestörte Verhältnis der Eltern untereinander. Die Mutter meldet sich zwar zuverlässig telefonisch jede Woche zu Hause, doch kann zumindest Sam mit der Situation nicht umgehen. Während Iris das Gespräch immer gerne annimmt, hat Sam sich dem verweigert. Sein Vater hat den Nagel wahrscheinlich auf den Kopf getroffen, indem er seinem Sohn vorhält, er würde sich von Punky steuern lassen und alles tun, was dieser von ihm verlangt. Der Vater selbst greift seit der Trennung von seiner Frau zum Alkohol, weswegen ihm bei einer Kontrolle der Führerschein weggenommen wurde. Um seiner Arbeit im Wald nachgehen zu können, hat er deshalb einen Lehrling eingestellt.
Dummerweise ist der Autorin der Fehler unterlaufen, dass sich die Mutter einmal vor drei, dann vor zwei Monaten verabschiedet hat. Ungeachtet dessen hat sie mit viel Einfühlungsvermögen die Gefühlswelt der jungen Iris nachgezeichnet, die sich bei Trick wie nie zuvor geborgen und verstanden fühlt und in den sie sich verliebt. Jungen wie Mädchen ab einem Alter wie die beiden Protagonisten sind von Anfang an am Fortgang der sich zuspitzenden Handlung interessiert. Dank eines flüssigen Sprachstils und einer Atmosphäre einfangenden Ausschmückung kann man die Schwingungen in der Luft, wenn ein sich zuspitzendes Ereignis kurz vor einem „Donnerwetter“ steht, regelrecht spüren. Leider ist C. J. Flood nicht weiter darauf eingegangen, dass es sich in dem dargestellten Szenario nicht um vorsätzlichen Totschlag gehandelt hat, sondern durchaus um Notwehr, was nicht unbedingt eine Verurteilung nach sich hätte ziehen müssen.
Wen liebst du, wenn ich tot bin? von C. J. Flood
Übersetzung von Petra Koob-Pawis
Arena Verlag 2014
Hardcover
272 Seiten
ISBN 978-3-401-06840-4