Vera lebt in dem Roman „Nachbarinnen“ von Ella Danz mit ihrem Ehemann Reinhold seit mehr als dreißig Jahren in einem Mehrfamilienhaus in Berlin. Doch seid ihr Mann vor drei Jahren an einem Aneurysma erkrankt ist und sich nicht mehr artikulieren kann, hat sich ihr Leben von einer Minute auf die andere radikal verändert. Reinhold ist zu einem Pflegefall geworden und beraubt sie ihrer Freiheiten. Am Schlimmsten ist es nachts, wenn sie für ihn bis zu zwei Mal aus dem Bett muss. Da sie an einem Beitrag für eine Anthologie arbeitet, in der Jemand ohne Spuren ins Jenseits befördert werden soll, befallen Vera zuweilen Mordfantasien und sie fragt sich, ob sie wirklich so weit gehen möchte, Reinhold umzubringen.
Jenny ist mit ihrem Lebensgefährten erst neu hinzugezogen und froh, ihre Arbeit als Webdesignerin von zu Hause aus machen zu können. Vor zwei Jahren hatte sie eine Fehlgeburt und hofft seitdem vergeblich auf eine erneute Schwangerschaft. Von Monat zu Monat ist ihre Enttäuschung groß und sie stellt fest, dass die Lust am Sex inzwischen abhandengekommen ist, weil der Beischlaf nur noch an ihren fruchtbaren Tagen stattfindet, quasi Mittel zum Zweck geworden ist. Da ihr Vera, die gerne kocht und backt, gelegentlich selbstgebackenes Brot vorbeibringt, kommen die Nachbarinnen so ins Gespräch.
Frederike von Thalbach ist vor zwei Jahren zu Thomas Holthusen gezogen und könnte mit ihm glücklich sein, wenn der gemeinsame kleine Frederic nicht ständig Magen-Darm-Probleme hätte oder unter Krampfanfällen leiden würde. Jenny, die jede Gelegenheit nutzt, Frederic zu sehen, empfindet Frederike deshalb als zudringlich, während sie den neuen Nachbarn Kai „unglaublich sexy“ findet. Nur seiner Partnerin zuliebe, damit diese sich voll dem Kind widmen kann, arbeitet Thomas weiterhin in Vollzeit als Lehrer, obwohl er seinen Job lieber zugunsten seiner Malerei aufgeben möchte.
Tanja lebt mit ihren Kindern Jamie, Dayo und Elani sowie ihrem Untermieter Jamal aus Afghanistan zusammen. Sie ist mit Dylan liiert, der jedoch als Straßenmusiker viel unterwegs ist und auf einen Vertrag bei einer großen Produktionsfirma hofft. Abends bedient sie in einem Café, wenn entweder Jamal oder ihr Ältester die jüngeren Geschwister beaufsichtigt. Der Kinder wegen musste sie ihr Medizinstudium unterbrechen, ist jedoch fest entschlossen, das eines Tages wieder aufzunehmen. Obwohl es bei ihr schon mal chaotisch zugeht, leben alle in Harmonie zusammen.
Ella Danz lässt ihre Protagonistinnen in dem Roman „Nachbarinnen“ jeweils in der Ich-Form berichten, wobei jedem neuen Kapitel ein kursiv gedruckter Abschnitt vorangestellt ist, in dem von WIR und UNSERE die Rede ist. So wird der Leser nicht selten mit zwei Blickwinkeln aus ein und derselben Situation konfrontiert. Als Vera ihre Nachbarinnen zwecks besseren Kennenlernens zu sich einlädt, kann nur Frederike dieser Art von Frauenveranstaltung nichts abgewinnen und mokiert sich darüber, dass Tanja ihr zweijähriges Kind noch stillt. Widerwillig schaut sie auf die geschmacklose Garderobe von Jenny, während Vera sie für arrogant und prüde hält.
Jenny träumt als Sozialromantikerin von einem idyllischen und harmonischen Familienleben mit Kind, deren Freund sich als Workaholic nur in seine Arbeit stürzt und häufig spät heimkommt. Thomas leidet mit seiner Frederike und hält loyal zu ihr, da sie sich in bewundernswerter Weise und mustergültig um den kranken Sohn kümmert, mit dem sie häufig zum Arzt geht. Als sich ihre Mutter telefonisch ankündigt, um ihren Enkel kennenzulernen, beunruhigt sie das zutiefst. Ein „schwarzer Traum“ wird der in einem Schloss aufgewachsenen Frau wieder bewusst, die sich an ihre Kindheit erinnert, als „der Alte“ sie im kalten Schlosskeller einsperrte. Ausweg aus der für sie unerträglichen Situation sucht sie in geheimen Treffen mit Mister Wonderful.
Wie ein roter Faden zieht sich schon von der Einleitung an ein Thema durch den unterhaltsamen und in flüssigem Schreibstil gehaltenen Plot, von dem fast jeder Mensch schon in zumindest ähnlicher Form gehört hat: Wie Vera freuen sich viele Paare auf die Zeit, in der sie weniger arbeiten müssen und so mehr verreisen können. Doch wie so häufig im Leben, sind auch Veras diesbezügliche Träume durch das „Ding“, das im Gehirn ihres Ehemannes plötzlich geplatzt ist, dahingeflossen. Obwohl sie selbst mit ihrem Leben hadert, bedauert sie Thomas, dessen Ehefrau zunehmend unter Kopfschmerzen klagt und im Bett liegt, wenn sie sich nicht gerade um den kranken Sohn kümmern muss. Ella Danz lässt am Ende die Fäden zusammenlaufen und so überschlagen sich auf einmal die Ereignisse, die überraschende Wendungen nehmen.