Interview mit der Autorin Christine Fehér

Christine Fehér
Foto © Giebel Berlin
Christine Fehér ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur evangelischen Religionslehrerin am Pädagogisch-Theologischen Institut in Berlin und unterrichtet seit 1984 evangelische Religion an verschiedenen Berliner Schulen. 2001 erschien ihr erstes Kinderbuch „Komm mit zum Ballett“. Seitdem hat sie sich mit Büchern wie Dann bin ich eben weg einen Namen als Autorin authentischer Themenbücher gemacht. Sie lebt heute mit ihrer Familie am nördlichen Stadtrand von Berlin.

Frau Fehér, Sie schreiben schon seit vielen Jahren Kinder- und Jugendbücher. Ihrer sehr umfangreichen und gut gegliederten Homepage kann ich entnehmen, dass Sie in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet haben. Sie interessieren sich auch heute noch sehr für die Themengebiete rund um die Psychiatrie, was der Glaubwürdigkeit Ihrer Bücher natürlich zugute kommt.

Wenn ich Sie nun frage, ob ihren Protagonisten authentische Personen zugrunde liegen, dann haben Sie die Frage im Falle Ihres Buches Dann bin ich eben weg insofern schon beantwortet, als dass Sie selbst einmal fast an der Magersucht erkrankten. Haben Sie sich bei den anderen geschilderten Fällen auch inspirieren lassen? Oder hat Ihnen für ein neues Buch die Theorie gereicht? Denn Sie schreiben, dass Sie viel Fachliteratur lesen.

    Es ist eigentlich immer eine Mischung aus Beidem. Bevor ich mit einem Manuskript beginne, überlege ich, was das Grundthema mit mir persönlich zu tun hat bzw. ob ich jemanden kenne, der in einer ähnlichen Lage steckt oder steckte. Oder ich frage Fachleute oder Betroffene, bei „Elfte Woche“ z.B. habe ich mit einer Mitarbeiterin von Pro Familia gesprochen; bei „Straßenblues“ mit jemandem von der Berliner Treberhilfe, aber auch mit einem ehemaligen „Straßenkind“. Die Personen in meinen Geschichten entspringen aber durchweg meiner Phantasie; was ich einfließen lasse, sind eher Gedanken und Gefühle, die ich selbst durchlebt habe oder die mir geschildert wurden.

Ihr Mann hat zwei Kinder mit in die Ehe gebracht, und Sie haben eine gemeinsame Tochter, die mittlerweile 17 Jahre sein dürfte. Besprechen Sie mit Ihrer Tochter die Themen für ein neues Buch? Gibt Sie Ihnen Tipps?

    Meine Tochter liest gerne die fertigen Bücher; die Themen bespreche ich vorher nur mit dem Verlag. Manchmal werden von Leserinnen Themen an mich herangetragen, wenn sie etwas Besonderes oder Schweres durchgemacht haben und meinen, ich wäre die richtige Autorin, um einen Jugendroman daraus zu machen. Das lässt sich aber nicht immer verwirklichen, da Buchverlage natürlich auch immer danach schauen, ob sich ein Thema gut verkaufen lässt. Neulich schlug meine Tochter aber auch ein Thema vor, und das werde ich meiner Lektorin auch weitergeben, wenn ich sie auf der Buchmesse treffe. 🙂 Da sehe ich aber schon jetzt das gleiche Problem.

Was hat bei Ihnen den Ausschlag gegeben, mit einem ersten Buch an die Öffentlichkeit zu gehen?

    Mein erstes Buch ist nie erschienen. Damals hatte ich gerade meinen Mann und seine Kinder kennengelernt und versuchte, mich in die Seele eines Teenagers einzufühlen, deren Vater eine neue Freundin hat, und habe dies in einem Jugendbuch umgesetzt und das Manuskript an verschiedene Verlage geschickt, da ich glaubte, das Thema „Patchwork-Familie“ könnte für viele Jugendliche lesenswert sein, da ja viele Kinder nicht durchweg mit ihren beiden leiblichen Eltern aufwachsen. Leider sahen die Verlage das anders – mein Schreibstil gefiel ihnen sehr, das Buch vom Thema her jedoch nicht verkaufsträchtig genug. Dennoch wollten zwei Verlage mich sofort als Autorin anderer Bücher haben, und seitdem erscheint jedes Jahr mindestens ein neues Buch.

Welchen Anspruch haben Sie an Ihre Bücher? Haben Sie die Hoffnung, den jungen Leuten damit eine Stütze zu sein? Dass sie sich in den Rollen wieder finden und ihrem Leben eine andere Richtung geben können?

    Das trifft es sehr gut, und tatsächlich bekomme ich immer wieder Mails von Jugendlichen, in denen mir bestätigt wird, dass genau dies gelungen ist. Wenn eines der Themen sie nicht selbst betrifft, lernen sie doch zumindest oft aus meinen Büchern, betroffene Personen (Mitschüler, Freunde, Geschwister usw.) besser zu verstehen und angemessen mit ihnen umzugehen.

Kommt es vor, dass sich Jugendliche unter Ihrer Rubrik „Eure Fragen“ auch tatsächlich mit einem Rat an Sie wenden? Weil sie sich beispielsweise ihren Eltern oder einem Arzt nicht anvertrauen wollen oder können?

    Das kommt durchaus vor, wenn auch nicht allzu oft. Ich lese die Mails und beantworte sie auch, gebe Rat so gut ich kann und aus meiner Sicht. Ich weise aber meist auch darauf hin, dass ich letztlich keine Fachperson, sondern „nur“ Romanautorin bin und das ganze Problem nicht in aller Ausführlichkeit bearbeiten kann, da ich mich zwischenzeitlich bereits mit anderen Themen für neue Bücher auseinandersetze. Aber ich halte den Kontakt so lange, bis der/diejenige weiß, an wen er/sie sich noch wenden kann.

Wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen: welche Zeit vergeht vom ersten Gedanken daran, über die Recherchen, die Sie betreiben, bis das Buch dann druckreif ist?

    Die ersten Gedanken kommen oft schon lange vor dem ersten Satz am Laptop, also sagen wir eher: Von der Vertragsunterzeichnung an bis zum druckreifen Manuskript. Das dauerte bisher immer im Schnitt 6-8 Monate. Für mein nächstes Buch habe ich mit dem Verlag aber mehr Zeit ausgehandelt, da es ein etwas längeres Manuskript wird, bei dem ich auch besonders gründlich vorgehen muss, und weil mir ein halbes Jahr schon lange zu stressig ist. Es bleibt einfach zu wenig Erholungszeit.

Sie arbeiten an einer Grundschule und unterrichten dort Religion. Sind Sie dort mit voller Stundenzahl tätig? Unterrichten Sie noch andere Fächer, oder ausschließlich Religion?

    Ich unterrichte ausschließlich evangelische Religion und in diesem Schuljahr nur noch zehn Wochenstunden. Letztes Jahr waren es 14 Std. + zwei AG-Stunden, das war eindeutig zu viel neben dem Schreiben.

Wie schaffen Sie das alles? Berufstätigkeit, Haushalt, Bücher schreiben und, nicht zu vergessen, die eingehenden Mails der Jugendlichen beantworten? Welche Heinzelmännchen gehen Ihnen zur Hand?

    An erster Stelle ist da mein Mann zu nennen, der mir vieles abnimmt und mich sehr unterstützt. Umgekehrt ist es aber genauso, er kann auch seinen persönlichen Neigungen nachgehen, die ihm Spaß machen und Zeit erfordern, ohne dass ich auf die Idee kommen würde, ihm Vorwürfe zu machen, wenn er dafür mal Arbeit liegen lässt.
    Wir haben eine Haushaltshilfe, die einmal pro Woche für zwei bis drei Stunden kommt. Das ist nicht so viel und es bleibt immer noch genug Arbeit in Haus und Garten übrig. Wir müssen halt Abstriche machen; bei uns sieht es nicht immer tipptopp durchgestylt aus, und es gibt auch mal Döner oder ein Nasi Goreng aus der Tiefkühltruhe, wenn die Zeit zum Kochen nicht reicht. Das sehen wir aber alle recht entspannt, auch unsere Tochter (die großen Kinder sind schon aus dem Haus). Jeder weiß, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, ein Buch zu schreiben, das rufe ich mir auch immer wieder ins Gedächtnis, wenn ich das Gefühl habe, dass mir alles über den Kopf wächst. Wenn ich aber wirklich irgendwann kürzer treten müsste, würde ich zuerst die Schule sein lassen. Eigentlich möchte ich das aber nicht, da mir der regelmäßige Kontakt zu Kindern wichtig ist – auch fürs Schreiben. Wenn mir ein Burn-out drohen würde, dann aber schon. Es ist schon oft stressig, alles irgendwie zu stemmen und unter einen Hut zu bringen, Lesungen kommen ja auch noch hinzu. Aber ich bin sicher, dass ich es merken werde, wenn sich etwas ändern muss.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

    Da widme ich mich den Menschen, die mir wichtig sind, also der Familie und Freunden. Shoppen mit meiner Tochter, Essen gehen mit meinem Mann oder meinem Bruder, Kaffee trinken mit meiner Mutter, entspannte Abende bei einem Glas Wein mit Freundinnen. Außerdem gehört auch die Hausarbeit zu meiner Freizeit – Kochen kann etwas ungemein Aufbauendes und Entspannendes sein, wenn man sich viel Zeit dafür nimmt. Wäsche Aufhängen ist ja so meditativ. 😉 Und ich gehe gern mit unserem Hund in den Wald und schmuse mit der Katze.

Welche Hobbys haben Sie?

    Ich spiele E-Bass in zwei Rockbands. Auch das ist ein zeitaufwändiges Hobby, mit der einen Band probe ich 1 x pro Woche ca. 4 Stunden, mit der anderen alle 14 Tage ca. drei Stunden. Aber es macht mir unheimlich viel Spaß, mit anderen Leuten Musik zu machen, und zum Glück unterstützt mein Mann auch das: Wenn wir auftreten, hat er automatisch einen unterhaltsamen Abend.

Lesen Sie selber, von der Fachliteratur einmal abgesehen? Und was? Eher leichte, lustige Unterhaltung? Krimis? Haben Sie eine/n Lieblingsschriftsteller/in?

    Ja, klar lese ich, sehr gern sogar, komme aber meist nur abends vor dem Einschlafen dazu, deshalb sind es nicht so viele Bücher pro Jahr. Ich lese alles, was mich spontan interessiert, das kann ein Sachbuch, eine Biografie, ein Jugendbuch eines Kollegen, Humoriges sein, das entscheide ich immer nach Lust und Laune. Im Moment lese ich gerade einen alten englischen Klassiker; „The Painted Veil“ von William Somerset Maugham, danach kommt auf jeden Fall das neue von Titus Müller, „Tanz unter Sternen“. Meine Tochter ist gerade ganz begeistert von „Zwei an einem Tag“; das werde ich auf jeden Fall auch noch lesen. Einen Lieblingsschriftsteller habe ich nicht, finde viele toll. Zwischendurch blättere ich aber auch sehr gerne mal einfach in einer Frauenzeitschrift.

Mit Schwarze Stunde haben Sie einen ersten Thriller geschrieben. Werden noch weitere folgen? Oder war das eine Ausnahme?

    Das Buch ist übrigens schon mein zweiter Thriller; vor einem Jahr erschien bereits „Dornenliebe“. Ich könnte mir vorstellen, noch weitere Thriller zu schreiben, vielleicht auch Krimis. Aber im Moment habe ich andere Pläne.

Welche? Was werden Sie als nächstes schreiben?

    Im Moment schreibe ich wieder an einem Jugendroman, worum es darin geht, wird aber noch nicht verraten. Aber auch für Kinder wird bald wieder etwas erscheinen. So kann es von mir aus immer weiter gehen.

Ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich genommen haben und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!

    Vielen Dank, gern geschehen, es war mir eine Ehre!

Dann bin ich eben weg von Christine Fehér

Dann bin ich eben weg
cbt Verlag 2005
Taschenbuch
192 Seiten
ISBN 978-3-570-30170-8

Bildquelle: cbt Verlag
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