Der zehnjährige Frankie sitzt mit seiner vier Jahre älteren Schwester Delia in Berlin in einer Eisdiele. Sie reden über ihre Eltern, denn der Vater ist schon seit drei Monaten bei seiner neuen Liebe Natalie. Nachts hören sie beide, wie ihre Mutter weint. Aus Kummer isst sie viel und hat schon zwanzig Kilogramm zugenommen. Obwohl Frankie die Lösung in einem Gespräch mit seinem Vater sieht, ist Delia davon überzeugt, dass ihm der Vater nicht zuhören wird. Und das ist ihrer Meinung nach so sicher, wie es niemand schafft, vier Erdbeershakes hintereinander zu trinken. Doch da kennt sie ihren Bruder schlecht, der ihr genau das beweist. Nach dem letzten Shake sucht Frankie die Toilette auf, während Delia vergeblich auf seine Rückkehr wartet. Hat er sich schon wieder unsichtbar gemacht, so, wie er ihr das vor zwei Jahren schon einmal bewiesen hat?
Nein, Frankie bleibt verschwunden. Delia, die sich Sorgen macht, geht zu ihrer Mutter ins Krankenhaus, wo diese als Krankenschwester arbeitet. Nach Feierabend will sie Delia bei der Suche helfen. Zur Überraschung erreicht Mutter und Tochter später ein Anruf von Frankie aus Köln, wo sein Vater wohnt. Umgehend ruft ihre Mutter den Vater auf seinem Handy an, damit er seinen Sohn vom Bahnhof abholen kann. Doch dieser befindet sich gerade im Urlaub und weilt mit seiner Geliebten in Venedig. Natürlich enttäuscht das die Mutter umso mehr, da sie sich schon seit fünfzehn Jahren eine Reise nach Venedig wünscht. Was bleibt ihr also anderes übrig, als sich mit dem Auto auf den Weg zu Frankie nach Köln zu machen?
Der Protagonist in dem Kinderbuch „Frankie und wie er die Welt sieht“ von Zoran Drvenkar führt ein Notizbuch, dessen Zeilen im Buch mit den entsprechend von ihm gemachten Fehlern dargestellt werden. Stets hat er einen Plan zur Hand und schafft es tatsächlich, mit nur 1,70 Euro und seinem besten Kumpel Lars mit einem Zug nach Köln zu kommen. Da er dort seinen Vater nicht antrifft, beschließt er, weiter nach Venedig zu reisen. Der listige Junge erreicht auch dieses Mal sein Ziel und macht es sich sogar in einem Schlafwagen bequem. Ohne eine Lüge ging das nicht. Also rückt er mit der Wahrheit heraus, was das Mitgefühl des Zugpersonals entfacht. Seine vierzehnjährige Schwester Delia wirkt im Gegensatz zu ihm schon sehr erwachsen. Sie macht sich Sorgen, wie man es sonst eher von Eltern gewohnt ist, und sie bittet ihre Mutter sich zu beruhigen, bevor sie sich ans Steuer setzt.
In dem Plot gibt es einen nicht näher erwähnten Erzähler, der den ersten Satz mit „wir stehen gemütlich auf dem Bürgersteig…“ beginnt und an anderer Stelle mit „ich will gleich mal ehrlich sein…“ fortfährt, womit der Autor seine Leser offensichtlich von Anfang an mit einbinden will. Schon von den ersten Sätzen wächst bei den jugendlichen Lesern das Interesse am Fortgang der Handlung, indem ein Ereignis aus der Zukunft, das spurlose Verschwinden von Frankie in neunzehn Minuten, vorweggenommen wird. Ein besonderes stilistisches Mittel hat Zoran Drvenkar zudem angewandt, wenn er ein Ereignis an anderer Stelle aus einer anderen Perspektive noch einmal aufrollt.
Zoran Drvenkar macht jungen Lesern bewusst, dass Tiere für den Verzehr extra getötet werden müssen und dass die Eisschmelze in der Arktis voranschreitet, wogegen Frankie unbedingt etwas unternehmen will. Dass es im Plot noch Auskunft gebende Bahnbeamte gibt, ist in der Realität eher ein frommer Wunsch. Doch daran sollte man sich genau so wenig stören wie an dem Weihnachtslied, das im Sommer erklingt. Denn im Fokus des Kinderbuches „Frankie und wie er die Welt sieht“ steht der Ehestreit von Frankies und Lars Eltern. Frankie muss einsehen, dass ein Gespräch nicht immer die Lösung ist, und die Mutter von Lars muss akzeptieren, dass sie ihren Sohn nicht für ihre Probleme mit dem Ehemann bestrafen darf. Eine Entschuldigung dafür, dass ihr die Hand ausgerutscht ist, lässt Frankie nicht gelten.
Der Verlag empfiehlt das Buch für Kinder ab neun Jahren, dem auch zugestimmt werden kann. Zoran Drvenkar lockt mit diesem Kinderbuch jeden Lesemuffel aus der Reserve und selbst Erwachsene kann er mit seiner abenteuerlichen Geschichte faszinieren. Was macht er anders als andere Autoren? Was ist das Besondere an seiner Art zu erzählen? Sein Schreibstil ist einfach so unfassbar mitreißend, dass ihm auf einer Skala von eins bis zehn die höchste Punktzahl gebührt.
Frankie und wie er die Welt sieht von Zoran Drvenkar
Carl Hanser Verlag 2024
Hardcover
152 Seiten
ISBN 978-3-446-28073-1