Die Glücksreisenden von Sybil Volks

Die GlücksreisendenIn dem Roman Wintergäste mussten die Mitglieder der Boysenfamilie den Jahreswechsel im Haus Tide, das seit Jahrhunderten im Familienbesitz ist, aufgrund eines Schneesturms notgedrungen gemeinsam verbringen. Inzwischen ging für Inge, die die Familie zusammenhält, und ihre Kinder das Leben weiter: Gynäkologin Gesa, Inges älteste Tochter, die noch mit Jochen verheiratet ist, hat neben den beiden gemeinsamen Kindern inzwischen eine drei Monate alte Tochter, deren Vater Matteo erheblich jünger ist als sie. Gesas Bruder Enno hat sich nach überstandener, schwerer Krankheit endlich einen Traum erfüllt und begibt sich während eines Sabbatjahres auf eine Weltreise. Bereits als junger Mann wollte er zur Seefahrtschule, was jedoch nur seinem Bruder Boy vergönnt war, der momentan in Chile weilt. Inges Schwiegertochter Kerrin, eine Hebamme, leidet unter der Abwesenheit ihres Ehemannes Enno, zumal ihr Sohn im fernen Amerika studiert und die adoptierte Tochter Inka durch Russland reist. Berit, eine weitere Tochter von Inge, wagt sich an einen ersten Roman, nachdem sie als Trauerrednerin gescheitert ist.

Zufällig um die Zeit des achtzigsten Geburtstags von Inge und dem achtzehnten ihrer Enkelin Inka soll auch noch der Komet Fortune einen Meteoritenregen auf die Nordseeinsel herabregnen lassen. Die Bewohner schließen Wetten ab, wann und wo die Meteoriten einschlagen könnten und sie sehen dem Spektakel mit einer Mischung aus Freude und Skepsis entgegen. Für Inka soll sich an ihrem Geburtstag auch endlich das Geheimnis um ihre Herkunft lüften.

Sybil Volks schreibt in ihrem Roman „Die Glücksreisenden“ im Wechsel von den Stationen der einzelnen Familienmitglieder. Neben dem Befinden von Inge geht es um die Dreiecksbeziehung zwischen Gesa, Jochen und Matteo, die nach einer Entscheidung von Gesa verlangt. Ein anderes Mal steht Kerrin im Fokus, die mit dem Schicksal hadert. Oder es ist von Berit die Rede, die eine Liebe zu Johanna verbindet. Natürlich fehlen auch Ennos Erlebnisse auf dem Schiff nicht oder die Abenteuer von Boy als Schiffsmusiker. Obwohl die Autorin die wörtliche Rede sparsam verwendet und auch die Handlung nicht viel Neues bietet, zieht der Roman den anspruchsvollen Leser in den Bann. In einem sehr eigenen Schreibstil, von makaber über sarkastisch bis zynisch, kreiert Sybil Volks neue Wortschöpfungen wie „Entliebung“ und spielt mit der Sprache, wenn sie vom Wasser unter der Luftlinie schreibt. Es ist ein köstliches Vergnügen, von „emotionaler Ernährung“ oder der Vorhölle zum Wellnessbereich zu lesen.

Der Roman „Die Glücksreisenden“ zeugt von einer guten Beobachtungsgabe der Autorin, die eine Reihe interessanter Aspekte in den Plot eingebaut hat. Außerdem weist sie auf die unterschätzten Gefahren einer Wattwanderung zu einer Hallig durch Priele hin, beklagt den Plastikmüll in den Meeren und überflutetes Land aufgrund von Torfabbau sowie den steigenden Meeresspiegel. Die Protagonisten von Sybil Volks leben in einer Welt, die heute nur noch wenige Menschen kennenlernen dürfen, nämlich dort zu leben, wo bereits ihre Vorfahren gelebt haben. Das Wort „Heimat“ ist für viele bedeutungslos geworden. Aber trotzdem oder gerade deshalb sollte jeder auf seine innere Stimme hören und den Weg einschlagen, den er wirklich gehen will. Der Roman ist ein Plädoyer dafür, seiner Intuition zu folgen und das Leben in die Bahnen zu lenken, die zum persönlichen Glück führen: Denn wir haben nur das eine Leben!

Die Glücksreisenden von Sybil Volks

Die Glücksreisenden
dtv 2018
Klappenbroschur
336 Seiten
ISBN 978-3-423-26203-3

Bildquelle: dtv
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