
Ein Sommer voller Überraschungen
Der fast dreizehnjährige Mika soll die letzten vier Wochen der Sommerferien bei seiner physikbegeisterten Großmutter Hertha Thorwarth verbringen. In dem abgelegenen ehemaligen Gutshaus, das ohne Netz auskommt, erwartet ihn nichts als „Langeweile am Arsch der Welt“. Als er beim Rasenmähen eine Unachtsamkeit begeht, entgleiten der Großmutter die Worte: „Mika, du bist so dumm! Dumm! Dumm!“ Fortan hallen diese Worte wie Trommelschläge in seinem Kopf wider.
Flucht in die Tiefe und ein mysteriöser Fund
Ohne Plan rennt Mika los, erreicht den Hellsee und beschließt, im Baggerloch ein Bad zu nehmen. Obwohl ihn eine Strömung in die Tiefe zieht, kann er sich befreien. Zurück im Haus entdeckt er auf dem Dachboden einen Briefumschlag mit der Handschrift seiner Mutter, in dem sie ihm zum zwölften Geburtstag gratuliert. Wütend konfrontiert Mika seine Großmutter, die den Brief zurückgehalten hat und behauptet, ihn nicht zu kennen. Am nächsten Tag liegt sie nach einem Gewitter wie tot im Bett. Mika muss dringend Hilfe holen – doch das Telefon funktioniert nicht.
Ein Luftschiff und der Weg in die „Nichtwelt“
Mit letzter Kraft schleppt Mika seine Großmutter ins Auto, gibt Gas und hebt inmitten zuckender Blitze ab. Er begegnet einem blau schimmernden Luftschiff in Form eines Walfisches, gesteuert von Lady Charlotte Ronin. Sie verspricht, die beiden ins Krankenhaus zu bringen. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit landen sie stattdessen im Schlund eines Vulkans, wo „riesige Maschinen mit gewaltigen Schaufelrädern“ auf sie warten.
Willkommen in Immerland
Für Mika, den Protagonisten des Romans Immerland – Die Stadt der Ewigkeit* von Flix, beginnt ein großes Abenteuer in der „Nichtwelt“, einem „Zwischenreich“, das manche auch Immerland nennen. Er wird unfreiwillig Teil eines Teams mit Julile, Nilla und Lucullus, das die Robolympiade gewinnen will. Verwundert stellt er fest, dass in dieser Stadt Großmütter „konstruiert“ werden, Orang-Utans in Cafés bedienen und er Bonobos, Pavianen, Schimpansen und Lemuren begegnet.
Magie, Technik und dunkle Erkenntnisse
Ein überreichter Armreif ermöglicht es Mika, Türen zu öffnen, Automaten zu bedienen und überall zu bezahlen. „Hellgrüne Plörre“ dient der Verjüngung, es gibt verwandlungsfähige Spiegel, und beim Anblick unzähliger Quallen im Becken wird ihm Fürchterliches bewusst. Doch damit endet sein irrsinniges Abenteuer nicht: Er wird gesucht und mit Erpressung bedroht.
Philosophische Tiefe und gesellschaftliche Kritik
Hertha Thorwarth äußert gegenüber ihrem Enkel tiefgründige Gedanken über das ewige Leben. Der Autor streift in seinem Plot die Begriffe Perspektive und Relativität. Ansonsten stellt er in seinem Jugendroman für Leser ab zwölf Jahren vieles auf den Kopf: Mika ist exakt 12 5/6 Jahre alt, lebt in einer lauten, schmutzigen Stadt mit unfreundlichen Menschen, die schimpfen, lästern und schubsen. Er hat keine Freunde, wird von seinen Mitschülern geschlagen und von Lehrern mit schlechten Noten abgestraft – ein düsteres Bild. Bei seiner Großmutter, die ihn „Spätzchen“ nennt, erwarten ihn ungenießbarer Kuchen und verkohlte Brathähnchen. Bereits im ersten Satz des Buches heißt es, dass Mika nicht ahnt, schon heute zu sterben.
Zwischen Bildungsanspruch und Gewaltfrage
Zwölfjährige kennen vielleicht Pablo Picasso – aber auch Frank Sinatra, Claude Monet oder Rembrandt van Rijn? Wenn der Autor nur beiläufig von „Pawlows Hund“ spricht, verstehen sie den Bezug zu den berühmten Experimenten Iwan Petrowitsch Pawlows? Solche Beispiele wären besser durch Anmerkungen erklärt worden. Kontrovers diskutierbar ist auch, wie viel Gewalt ein Kinderbuch enthalten darf. Ist es vertretbar, wenn Gorillas einen Riesen attackieren, ihm einen Spieß ins Auge rammen, sodass Blut spritzt, den Speer aus der tropfenden Pupille ziehen und unter „Siegesgeheul“ in dessen Ohren stoßen? Oder wenn ein bärtiger Mann sich brutal eine scharfe Klinge in den Unterarm sticht – eine Szene, die durch eine Illustration von Flix schaurig untermauert wird?
Fazit und Ausblick
Dem Illustrator Flix, der mit Immerland – Die Stadt der Ewigkeit* seinen ersten Roman präsentiert, sollte keine Absicht der Gewaltverherrlichung unterstellt werden. Denn die lobenswerte Quintessenz der Geschichte lautet: Es braucht Vertrauen in sich selbst, um seine Talente entfalten zu können. Stolz auf sich zu sein bedeutet gleichzeitig Ansporn – und nur dem, der an seine Träume glaubt, gehört die Zukunft. Eine Fortsetzung ist für das kommende Jahr angekündigt. Hoffentlich bleibt sie ebenso spannend, aber etwas friedvoller.
Immerland – Die Stadt der Ewigkeit von Flix

Carl Hanser Verlag 2025
Hardcover
352 Seiten
ISBN 978-3-446-28332-9