Wo steckst du, Bernadette? von Maria Semple

Wo steckst du, Bernadette?Die Eltern der fünfzehnjährigen Bee sind Elgin Branch, der als Teamleiter bei Microsoft arbeitet, und Bernadette Fox, eine berühmte Architektin. Bee, die korrekt Balakrishna heißt, wünscht sich für ihre überdurchschnittlich guten Schulnoten eine Familienreise in die Antarktis. Ihre Mutter, die das Haus nur ungern verlässt, beauftragt Manjula Kapoor, eine virtuelle Freundin aus Indien, per Mail mit den Reisevorbereitungen für die Expedition. Ihrer Tochter zuliebe will sie mitfahren, doch fürchtet sie sich vor der Überquerung der gefahrvollen Drakestraße, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet.

Audrey Griffin, die Nachbarin der in einem baufälligen Backsteingebäude in Seattle wohnenden Familie, verlangt von Bernadette die Beseitigung von Brombeersträuchern, die in ihren Garten wuchern. Als Audrey, die in ihrem Garten einen Schul-Brunch ausrichten will, ihre Nachbarin in der Galer Street School darauf ansprechen will, fährt die einfach davon. Später behauptet Audrey, Bernadette sei ihr mit dem Auto über den Fuß gefahren.

Die Mutter eines Mitschülers von Bee wird die neue Admin eines Teams, dessen Leiter Elgin ist. Von ihr erfährt er auch, dass seine Frau bereits das Gesprächsthema in der Schule ist, weil sie unter anderem den Garten von Audrey in eine Schlammlawine verwüstet haben soll. Als er zu Hause eine größere Menge Tabletten findet, will er Bernadette noch vor der Familienreise vor Weihnachten in die Psychiatrie einweisen lassen. Doch plötzlich ist sie verschwunden.

Hätte Maria Semple auf die langatmigen Ausführungen der ersten Hälfte ihres Romans „Wo steckst du, Bernadette?“ verzichtet, würden dem Leser der überflüssige, weil unwichtige Mailverkehr und die diversen geschriebenen Zettel erspart bleiben. Grundsätzlich ist der Wechsel einer Ich-Erzählung sowohl von Bee, wie auch von Bernadette mit eMails und Auszügen aus Blogs ein überaus gelungenes, stilistisches Mittel, weil ein und dasselbe Geschehen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Allerdings nicht, wenn es zu ausschweifend wird und dem Leser das Interesse am Fortgang des Plots nimmt. Außerdem stellt er sich die Frage, was Bernadette und Elgin überhaupt noch miteinander verbindet, wenn man von der gemeinsamen Tochter absieht.

Dessen ungeachtet übt Maria Semple Kritik an einem von Hillary Clinton gemachten Versprechen bezüglich der Hilfe von Vergewaltigungsopfern im Kongo gemacht. Sie hat gut recherchierte Informationen zum Antipsychotikum Haldol gemacht, das sowjetischen Gefangenen mit dem Ziel einer Gehirnwäsche verabreicht wurde und zu Spätdyskinesien, einer besonderen Bewegungsstörung. Weiter hat sie den Naturhafen Port Lockroy, den tatsächlich die Briten für Militäroperationen während des Zweiten Weltkrieges genutzt haben, neben vielen anderen Details in ihrem Roman erwähnt, was diesen allerdings überladen hat. Natürlich teilt sie dem Leser ebenfalls viel Wissenswertes über die Antarktis mit und lässt den Meteorologen Cliff Mass, der tatsächlich in Amerika das Wetter ansagt, den bei uns allerdings kaum jemand kennen wird, zu Wort kommen. Auch die vielen Anspielungen, wie beispielsweise auf den Film „Uhrwerk Orange“ versteht wohl nicht jeder und nicht jeder weiß, dass Walmart eine Einzelhandelskette ist. „Wo steckst du, Bernadette?“ ist ein durch und durch an eine amerikanische Leserschaft gerichteter Roman, der zumindest ab der zweiten Hälfte in Fahrt kommt.

Wo steckst du, Bernadette? von Maria Semple

Wo steckst du, Bernadette?
Übersetzung von Cornelia Holfelder-von der Tann
btb Verlag 2015
Taschenbuch
384 Seiten
ISBN 978-3-442-74851-8

Bildquelle: btb Verlag
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