Kein Held von Valentin Moritz

Kein HeldAn seinem neunzigsten Geburtstag bittet Josef Mutter seinen Enkel Valentin Moritz, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, die dieser in dem Buch „Kein Held“ veröffentlicht hat. Während ein Videospiel das Leben des Autors in den neunziger Jahren bestimmte, die für ihn „ein goldenes Jahrzehnt“ waren, trat sein Großvater in diesem Alter dem Jungvolk bei, und während Valentin Moritz eine Band gründete, ein Studium absolvierte und berufliche Perspektiven hatte, hat der Krieg Josef Mutter, wie so viele seiner Generation, in Verzweiflung und Elend gestürzt.

Sein Großvater wurde im Jahr 1922 in Niederdossenbach geboren, einem Dorf mit nur sechzehn Häusern unweit von Bad Säckingen. Er erinnert sich an die Wohnverhältnisse und daran, wie auch schon die Kinder zu anstrengenden Arbeiten auf dem Hof herangezogen wurden, an die Mahlzeiten und seinen Schulalltag, an die Inflation, den Aufstieg der Nazis und an Kriegsgefangene, die als Knechte, Mägde oder Waldarbeiter eingesetzt wurden. Im Alter von neunzehn Jahren musste er als Soldat in den Krieg ziehen. Ausführlich berichtet er von seinen Kriegserlebnissen, der Gefangenschaft und wie alle Gefangenen gezwungen wurden, einen Film über die in den Konzentrationslagern verübten Gräueltaten anzusehen.

Nach seiner Gefangenschaft und Heimkehr kamen Leute zum Hamstern und Flüchtlinge in sein Dorf. Josef Mutter hatte einen im Krieg gefallenen Bruder zu beklagen, doch das Leben musste weitergehen: Er gründete einen Holzhandel und heiratete Erna, mit der er neun Kinder bekam. Kritische Worte fand er zur Haltung der Amtskirche während des Krieges und wettert auf das „blöde Drumherumgeschwätz“, dass Soldaten „gefallen“ wären. Für ihn ist ein ermordeter oder verreckter Soldat „Kein Held“. Was unsere Politiker betrifft, geht er auch mit ihnen hart ins Gericht und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er in Rage gerät: Begriffe wie saublöd, alte Hornochsen, Schnepfe oder Scheißdreck ziehen sich durch seine Erzählung.

Valentin Moritz beginnt sein Buch, mit dem er unzweifelhaft seinem Großvater ein Denkmal gesetzt hat, mit dessen letzten Lebensstunden. In der Folge wechseln sich die Erlebnisse zweier völlig verschiedener Lebenswege aus unterschiedlichen Generationen ab, zumal der Autor dem südbadischen Dorf Niederdossenbach längst den Rücken gekehrt hat und nach Berlin verzogen ist. Für den Begriff der Heimat hat er eine eigene Definition gefunden, ausgehend davon, dass sein Großvater ihn nur im Zusammenhang mit Krieg und Gefangenschaft gebrauchte, nämlich dann, wenn er „fern der Heimat“ war, was „fern der Familie“ bedeutete. Die interessant und spannend aufgearbeiteten Erinnerungen seines Großvaters mit unvermittelten Gedankensprüngen sind ein wichtiges Zeitzeugnis und ein Plädoyer gegen den Faschismus, was deutlich den Äußerungen von Josef Mutter zu entnehmen ist, der im Alter von vierundneunzig Jahren verstarb und neben neun Kindern fast vierzig Enkel und Urenkel hinterlässt.

Kein Held von Valentin Moritz

Kein Held
Badischer Landwirtschafts-Verlag 2020
Hardcover
224 Seiten
ISBN 978-3-9818089-8-8

Bildquelle: Valentin Moritz
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