Interview mit der Autorin Heike Koschyk

Heike Koschyk
Foto © Kerstin Petermann
Heike Koschyk, die 1967 in New York geboren wurde, wuchs in Hamburg und Travemünde auf. Zunächst arbeitete sie in einer Modeagentur, hat dann eine Ausbildung zur Heilpraktikerin mit dem Schwerpunkt Klassische Homöopathie absolviert, um sich schließlich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie hat Thriller und historische Kriminalromane geschrieben und wurde im Jahr 2008 mit dem Agatha-Christie-Krimipreis ausgezeichnet. Unter dem Pseudonym Sophie Bonnet schreibt sie zudem Provence-Krimis. Heike Koschyk lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Heike, wenn ich dich jetzt mit „Moin“ begrüße, ist das dann ein echter Gruß, wie er sich für Hamburg gehört?

    Ein „Moin“ passt immer, auch wenn man diesen Gruß in Hamburg seltener hört als vielleicht angenommen. In dieser weltoffenen Stadt ist in punkto Anrede eigentlich fast alles erlaubt.

Kommen wir mal auf deine Dilogie Das Glück unserer Zeit zu sprechen. Der erste Band hatte das Leben der Familie Lagerfeld zum Thema, im zweiten ging es um das Vermächtnis dieser Familie. Was hat den Ausschlag dazu gegeben, dass du dich mit dem Leben der Familie Lagerfeld, insbesondere mit dem von Otto Lagerfeld, auseinandergesetzt hast?

    Ich bin seit vielen Jahren mit Familienmitgliedern befreundet, die im Besitz von exklusiven Originaldokumenten und Zeitzeugnissen aus dem Leben von Otto Lagerfeld sind. Als sie mich eines Tages fragten, ob ich Lust hätte, über sein Leben zu schreiben, habe ich mich erstmalig mit den Hintergründen der Familie beschäftigt und war sofort Feuer und Flamme.

Das kann ich mir vorstellen, wer hat sonst schon Zugang zu solch exklusiven Dokumenten? Und trotzdem hast du noch für dieses Werk eine sehr intensive Recherche betrieben, die dich tief in die Familienbiographie hat eintauchen lassen. Wenn ich mich schon als Leser fast als Teil dieser Familie gefühlt habe, wie muss es dir dann erst ergangen sein? Hattest du tatsächlich auch zeitweise das Gefühl, zu dieser Familie zu gehören?

    Ja, mir ging es ganz ähnlich. Dank der vielen Details aus Otto Lagerfelds Lebenserinnerungen bin ich derart tief im Thema gewesen, dass ich meinte, die Familienmitglieder persönlich zu kennen. Dazu kam der sehr private Einblick, den mir die Nachkommen in den Interviews gewährten. Dieses uneingeschränkte Vertrauen hat mich sehr berührt.

Die Familie muss dir tatsächlich sehr vertraut haben, was gerade in der heutigen Zeit immer schwerer fällt. Wie du in deinem Nachwort schreibst, hast du zu Recherchezwecken auch Interviews mit Zeitzeugen geführt. Gehörte auch der bekannte Modeschöpfer Karl Lagerfeld zu dieser Gruppe?

    Nein. Die Idee zu dieser Dilogie entstand ja erst nach seinem Tod. Ich bezweifele aber auch, dass er mir ein Interview gewährt hätte. Karl Lagerfeld hatte Kindheit und Jugend in seinen Erzählungen stark verfremdet und idealisiert und er mochte es gar nicht, wenn man sich für die tatsächlichen Hintergründe interessierte.

Ohne, dass ich mich jemals mit seiner Person näher beschäftigt hätte, kann ich sagen, dass ich ihn genauso eingeschätzt hätte. Karl Lagerfeld verstarb im Februar 2019, vor knapp vier Jahren. Hättest du deine Dilogie auch schon vor seinem Tod veröffentlicht oder anders ausgedrückt, ist es Zufall, dass die Geschichte über das Leben seiner Familie erst nach seinem Tod einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird?

    Die Lagerfelds waren in diesem Punkt sehr zurückhaltend und haben die Familiengeschichte in all den Jahren nie thematisiert. Erst, als sich nach Karls Tod mehrere Journalisten für dessen Vater Otto interessiert hatten, sah Familienarchivar Günter Lagerfeld die Zeit gekommen, der Öffentlichkeit die Geschichte zugängig zu machen. Aber selbst, wenn mir die Geschichte vorher zugängig gemacht worden wäre, hätte ich sie zu Karls Lebzeiten aus Respekt vor seinem Geheimhaltungsbedürfnis gewiss nicht veröffentlicht.

Das ehrt dich! Nun aber auch einmal zu dir selbst, denn in deinem Leben hat es eine Menge Veränderungen gegeben: Zunächst einmal hast du in der Textilbranche gearbeitet, dich mit Mode beschäftigt. Wie haben dich diese Jahre geprägt?

    Als Inhaberin einer Modeagentur war ich Bindeglied zwischen den Designern und den Einkäuferinnen und Einkäufern von Modehäusern und Boutiquen. Es war ein unglaublich vielseitiger Beruf. Er reichte von der Trendanalyse und der Beschäftigung mit Stoffen und Schnitten bis hin zur Organisation von Messen. Diese Jahre haben mich gelehrt, auch im größten Stress Ruhe zu bewahren und immer flexibel und lösungsorientiert zu bleiben. Davon profitiere ich heute noch.

Später hast du dich zur Heilpraktikerin ausbilden lassen und hast eine Naturheilpraxis mit Schwerpunkt Klassische Homöopathie geleitet. Im Zuge dieses Themenkomplexes hast du dich vermutlich auch mit dem Leben der Nonne Hildegard von Bingen auseinandergesetzt, die natürlich noch keine Kenntnisse der Homöopathie besaß, die ja bekanntlich erst sechseinhalb Jahrhunderte später durch Samuel Hahnemann begründet wurde. Was hat dich an dieser Frau so fasziniert, dass du über sie sogar ein Buch geschrieben hast?

    Hildegard von Bingen war eine für diese Zeit ungewöhnlich selbstbestimmte und widerständige Frau. Ihr Wirken als Äbtissin und Visionärin ging weit über die Naturheilkunde hinaus. Besonders fasziniert hat mich ihre Idee vom symphonischen Denken. Demnach ist alles in der Schöpfung miteinander verbunden wie in einem großen Orchester. Und es liegt an jedem Einzelnen, das Gesamtwerk harmonisch klingen zu lassen.

Du hast auch noch ein weiteres Sachbuch in dieser Richtung geschrieben, und zwar über Bachblüten. Wie verträgt sich die Auseinandersetzung mit dieser Therapieform mit der Klassischen Homöopathie?

    Die Naturheilgesetze, die Samuel Hahnemann in seinem Organon der Heilkunst aufgestellt hatte, stammen aus einer Zeit, in der der menschliche Körper noch eine Blackbox war. Die enthaltenen Thesen waren von ihm selbst fortlaufend angepasst worden und sollten daher nicht allzu statisch betrachtet werden. Für mich war der ganzheitliche Blick auf die Patientinnen und Patienten damals entscheidend. Und dazu gehörte auch der abgestimmte Einsatz unterschiedlicher Heilmethoden.

Unstrittig ist, dass der Begründer der Homöopathie zeitlebens daran geforscht und verändert hat, aber ich kann mir auch vorstellen, dass zumindest die klassisch ausgerichteten Homöopathen dem letzten Punkt widersprechen.
Was hat dich seinerzeit dazu bewegt, eine Ausbildung zur Heilpraktikerin zu machen?

    Zuallererst war es der Wunsch, Menschen zu helfen. Ich wollte die Komplexität des menschlichen Systems auf allen Ebenen – Körper, Seele und Geist – verstehen und die vielen Wege kennenlernen, mit denen Heilung ermöglicht werden kann. Der naturheilkundliche Ansatz erschien mir damals vielversprechender als der schulmedizinische. Obwohl ich der Ansicht bin, dass beides Hand in Hand gehen sollte.

Das ist ein frommer Wunsch, der sich wohl so bald nicht realisieren lassen wird.
Aber bleiben wir bei deiner Ausbildung, denn noch mehr bewegt mich die Frage, wieso du deine Naturheilpraxis aufgegeben hast? War es die fehlende Zeit, die du nicht mehr erübrigen konntest, nachdem du mit dem Schreiben angefangen hast?

    Die Naturheilkunde war eine spannende Station auf meinem Lebensweg. Sie war ebenso bereichernd wie der Ausflug in die Modewelt, in der ich mein Faible für die schönen Dinge, für Stoffe und Farben ausleben konnte. Letztlich aber habe ich bereits als Kind Schriftstellerin werden wollen und bin sehr dankbar, diesen Traum seit nunmehr zwanzig Jahren leben zu dürfen.

Es ist schon erstaunlich, dass du deinen Traum erst nach so vielen Umwegen realisieren konntest. Aber immerhin – wer kann das schon von sich behaupten?

    Ehrlich gesagt bin ich sehr froh über diese Umwege, denn die beruflichen Erfahrungen haben ja auch mein Schreiben geprägt. Ob der Blick hinter menschliche Fassaden oder der Sinn für das savoir-vivre – all das ist wesentlicher Teil meiner provenzalischen Krimis um Ermittler Pierre Durand.

Wer Sophie Bonnet auf Facebook besucht, erkennt sofort, wie sehr du die Provence liebst, die auch Handlungsort deiner Kriminalromane ist, die du unter diesem Pseudonym schreibst. War dieses im Südosten von Frankreich gelegene Gebiet immer schon dein bevorzugtes Ferienziel?

    Ja, seit ich die Provence Mitte der 90er Jahre zum ersten Mal besuchte. Schon damals konnte ich mich nicht sattsehen an der vielfältigen Natur und den pittoresken Orten. Nicht zu vergessen die kulinarischen Genüsse, die auch in Hamburg einen festen Platz in meiner Küche haben. Natürlich gibt es auch andere Länder, die ich gerne bereise. Aber der Süden Frankreichs ist meine Seelenheimat, das steht an erster Stelle.

Ich muss gestehen, dass ich bisher nur durch Frankreich gefahren bin, ohne Zwischenaufenthalte. Aber es ist in Planung. Wenn alles nach Plan läuft, wird es im nächsten Jahr mit einem Hausboot über den Canal du Midi gehen. Wie sehen deine weiteren Pläne aus? Werden deine zukünftigen Werke weiterhin so breit gefächert sein?

    Die Serie um meinen Ermittler Pierre Durand ist Kern meines kreativen Schaffens und nach diesem Ausflug in die Historie werde ich mich wieder ganz auf meine provenzalischen Geschichten und Rezepte konzentrieren – mit weiteren Krimifolgen und regelmäßigen Beiträgen auf meiner Homepage. Aber wer weiß? Ich liebe die historische Recherche und sollte sich eines Tages wieder ein spannendes Thema ergeben, werde ich es vielleicht in Form eines Romans umsetzen.

Man darf also gespannt sein, welche Themen dich erreichen und so ansprechen, dass du dich auf Recherche begibst.
Ich danke dir für die Zeit, die du dir für dieses Interview genommen hast und wünsche dir beruflichen Erfolg und natürlich auch für dein privates Leben alles Gute!

    Dir vielen Dank für die schönen Fragen.

Das Glück unserer Zeit – Das Vermächtnis der Familie Lagerfeld von Heike Koschyk

Das Glück unserer Zeit - Das Vermächtnis der Familie Lagerfeld
Goldmann Verlag 2022
Klappenbroschur
496 Seiten
ISBN 978-3-442-20633-9

Bildquelle: Goldmann Verlag
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