Wunderjahre von Birgit Reinshagen

Wunderjahre„Aufbruch in eine neue Zeit“ lautet der Untertitel des Romans „Wunderjahre“ von Birgit Reinshagen, dessen Handlung in den Jahren 1952-1953 in Wilmersbach in der Eifel angesiedelt ist. Die achtundzwanzigjährige Ruth träumt seit ihrer Kindheit davon, den väterlichen Steinbruch einmal zu übernehmen. Doch obwohl ihr Vater Friedrich Thelen seine Tochter sehr liebt, lehnt er ihren Wunsch ab. Er möchte, dass seine „Steinprinzessin“, wie er sie liebevoll nennt, einen passenden Mann heiratet, der den Betrieb einmal in seinem Sinne leiten soll. Doch ein Leben als treusorgende Hausfrau am Herd kann sich die selbstbewusste junge Frau nicht vorstellen und sie wird Lehrerin. Ihre beste Freundin Heidi, die in die Familie aufgenommen wurde, nachdem der Vater im Steinbruch tödlich verunglückt und die Mutter gestorben ist, träumt davon, einmal eine berühmte Modedesignerin zu werden.

Auf einem ihrer Streifzüge mit ihrem Hund Arno durch die Wälder und Wiesen rund um Wilmersbach beobachtet Ruth in einem stillgelegten Steinbruch einen etwa dreißigjährigen Kletterer, der mit seinen muskulösen Armen und Beinen an einer Basaltsäule hochklettert. Sie ist fasziniert von diesem Mann, der genau zu wissen scheint, was er tut. Sein Mut und seine Abenteuerlust lassen ihr Herz höherschlagen, denn er ist anders als ihre langweiligen Verehrer, die den ganzen Tag in irgendeinem Büro sitzen. Sie hofft, diesem „Himmelsstürmer“, wie sie ihn nennt, noch einmal zu begegnen. Es vergehen jedoch einige Wochen, bis die beiden an einem See aufeinandertreffen.

Die Geschäfte des väterlichen Steinbruchs scheinen durch den Wiederaufbau gut zu laufen, denn überall, wo Straßen und Häuser gebaut werden, benötigt man Steine und Schotter. Doch als Friedrich Thelen plötzlich an einem Herzinfarkt verstirbt, stellt sich heraus, dass der Betrieb hoch verschuldet ist. Seine Frau Liliane schlägt vor, das Basaltwerk zu verkaufen, um alle Schulden zu begleichen. Doch kann sie ihre Tochter Ruth nicht davon abbringen, das Unternehmen weiterführen zu wollen, um den Steinbruchbetrieb wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Als unerwartet ein Besucher aus der Vergangenheit im elterlichen Herrenhaus auftaucht, scheint jedoch alles verloren zu sein.

Birgit Reinshagen erzählt in ihrem Roman „Wunderjahre“ eine Familiengeschichte, die sie mit zeitgeschichtlichen Hintergründen verknüpft hat. Im Vordergrund des Geschehens steht die Protagonistin Ruth, die sich als junge Frau in einer Männerdomäne durchsetzen muss, der es aber trotz anfänglicher Schwierigkeiten gelingt, sich zu behaupten und von den Arbeitern im Steinbruch akzeptiert zu werden. Aber auch die sich nur zögerlich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen Ruth und dem Kletterer Paul nimmt einen breiten Raum in der Handlung ein. Durch unerwartete Wendungen, die sowohl die Ereignisse in dem Steinbruchbetrieb, wie auch die Entwicklung der Liebesgeschichte betreffen, hofft und leidet der Leser mit der Protagonistin.

Der Ort Wilmersbach, den die Autorin unweit von Bad Neuenahr angesiedelt hat, ist zwar fiktiv, doch die sehr bildhaft beschriebene idyllische Landschaft mit ihren Wäldern, Wiesen und Maaren sowie den Steinbrüchen und dem Basaltabbau in der Vulkaneifel sind real. Birgit Reinshagen zeichnet in ihrem Roman „Wunderjahre“ ein Bild der Frauen in der damaligen Zeit, die gegen gesellschaftliche Widerstände kämpfen mussten, um sich beruflich in einer Männerwelt durchzusetzen. Der Leser ist hin und her gerissen, ob es sich um einen zeitgeschichtlichen Roman oder um ein Liebesdrama handelt. Und so werden vornehmlich Frauen von dem einfühlsamen Schreibstil der Autorin begeistert sein.

Wunderjahre von Birgit Reinshagen

Wunderjahre
Heyne Verlag 2021
Klappenbroschur
400 Seiten
ISBN 978-3-453-42462-3

Bildquelle: Heyne Verlag
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