Wütende Bärin von Ingebjørg Berg Holm

Wütende BärinNina und Njål arbeiten als Klimaforscher im norwegischen Bergen an einem Computermodell, bei dem es um den Klimawandel des Gletschers auf Svalbard geht, mit dem Ziel, den Forschungsauftrag zu erhalten. Doch ihr vordergründiges Problem ist, dass sie sich auseinandergelebt haben. Beide kämpfen um das Sorgerecht für ihre Tochter Lotta, die abwechselnd bei der Mutter und beim Vater lebt. Njål, der sich von seiner ersten Ehefrau Sol getrennt hat, weil sie kein Kind austragen konnte, hat jedoch die Beziehung zu ihr nie ganz abreißen lassen. Aus Angst, dass das Jugendamt Lotta keinem Elternteil zuspricht, wollen es Nina und Njål noch einmal miteinander versuchen. Auf der abgelegenen und von hungrigen Eisbären bevölkerten Inselgruppe Svalbard will Njål seine Frau mit einer Hüttentour, zu der das romantisch aufleuchtende Nordlicht gehört, überraschen.

Ingebørg Berg Holm lässt ihren Roman „Wütende Bärin“ wechselweise von drei Protagonisten, jeweils in der Ich-Form, erzählen. Alle berichten gleichsam ausführlich von ihrem Sexleben. Die Pastorin Sol, von der Njål geschieden ist, erinnert sich an das letzte Mal, als sie mit ihrem einstigen Ehemann die aus Japan stammende erotische Fesselkunst Shibari praktiziert hat. Noch immer leidet sie darunter, kein eigenes Kind zu haben und ist deshalb umso mehr bemüht, die kleine Lotta an sich zu binden. Njål denkt immer wieder an die Enttäuschung von Sol nach einem Abort und ihre folgenden Depressionen. Mit Nina verbinden ihn die Erinnerungen an die gemeinsame Tochter. Während er auf jeden Fall verhindern will, dass seine Ehefrau, die sich wegen ihrer Ängste einer Expositionstherapie unterziehen muss, das Sorgerecht für Lotta erhält, ist auch Ninas vorrangiges Ziel, ihr Töchterchen vor allem zu beschützen, selbst vor dem Vater. Wiederholt betont sie, dass sie niemals hätte schwanger werden dürfen, doch da Lotta nun einmal auf der Welt ist, erinnert sie sich immer wieder an die Worte ihrer Großmutter, die davon überzeugt war, dass sich eine Frau verteidigen und ihr Kind unter allen Umständen beschützen muss.

Der Roman lebt von den Erinnerungen der Protagonisten und ihrer mehr oder weniger unbedeutenden Tätigkeiten im Ablauf ihres normalen Alltags: Njål verbringt mit Freunden einer Wikingergruppe sowie Lotta einen Tag am See, unternimmt alleine eine Paddeltour, muss sich mit Läusen, die im Kindergarten seiner Tochter ausgebrochen sind, beschäftigen oder schreibt an seine Anwältin. Seine Ehefrau Nina geht zum Psychologen, besucht ihre demente Mutter im Heim, liest Briefe ihrer Großmutter oder badet Lotta. Sol wiederum spaziert an der Wohnung von Njål vorbei, zieht auf seinen Wunsch hin wieder bei ihm ein und hält als Pastorin eine Predigt. Wer Handlung oder gar sich überschlagende Ereignisse erwartet, wird mit diesem Buch enttäuscht. Zudem kommen im Plot kaum wörtliche Reden vor.

Der Ort Svalbard, an dem sich natürlich erst auf den letzten Seiten des Romans „Wütende Bärin“ ein spannendes Drama abzeichnet, ist ein anderer Name für die zu Norwegen gehörende Inselgruppe Spitzbergen. Haben bereits eine Verkettung von Missverständnissen zur Trennung der Eheleute geführt, so gipfelt das gegenseitige Misstrauen in der Finsternis einer eisigen Polarnacht in einer Tragödie, die bereits im Prolog vorweggenommen wird, für den Leser an dieser Stelle allerdings noch wenig Aussagekraft besitzt. Dieser wird von Ingebørg Berg Holm in homöopathischen Dosen auf psychologisch genial aufgebaute Weise an das unweigerliche Unheil herangeführt, dessen Sog er sich kaum zu entziehen vermag.

Wütende Bärin von Ingebjørg Berg Holm

Wütende Bärin
Übersetzung von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann
KJM Buchverlag 2022
Hardcover mit Schutzumschlag
360 Seiten
ISBN 978-3-96194-182-7

Bildquelle: KJM Buchverlag
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