Unten ohne von Mark Spörrle

Geschichten aus dem Homeoffice!

Unten ohneFluch und Segen: In der Vorstellung der Menschen, die noch nie im Homeoffice gearbeitet haben, stellt diese Form meist etwas Erstrebenswertes dar, während sich die davon Betroffenen häufig zurück in einen geregelten Berufsalltag sehnen. Mark Spörrle gibt in seinem Buch „Unten ohne“ Geschichten aus dem Homeoffice zum Besten. Der Ich-Erzähler ist mit Lizzy verheiratet, die sich als berufstätige Frau natürlich auch im Homeoffice befindet. Aber erst in diesen krisengeschüttelten Zeiten macht das Ehepaar eine ganz neue Erfahrung, nämlich dass sie sich den ganzen Tag kaum aus dem Weg gehen können. Als Lizzy eines Tages ebenfalls ganz dringend auf ein Arbeitszimmer in der gemeinsamen Wohnung angewiesen ist, macht sich niemand mehr über einen Börsentrader lustig, dem nur die Stockbetten seiner Kinder als Platz für eine Videokonferenz zur Verfügung standen.

Wie ein HB-Männchen könnte der Ich-Erzähler auch an die Decke gehen, als das Netz eines Tages aufgrund Überlastung komplett zusammenbricht, denn nicht nur Lizzys Ehemann und sie selbst sind auf das Internet angewiesen, sondern, um das Chaos perfekt zu machen, auch die pubertierende Tochter Luise. Seinen Frust auf überlastete Server oder ausfallende Router kann er nicht einmal bei einem Techniker loswerden, weil auch der, wie könnte es anders sein?, selbstverständlich im Homeoffice ist. Schnell ist der Übeltäter gefunden: Der Mathelehrer seiner Tochter, der trägt die Schuld daran, dass nichts mehr geht! Ebenfalls nicht ganz unschuldig an den ewigen Unterbrechungen ist die zur Familie gehörende Hündin Mai, die stets im ungünstigsten Moment ihr Recht einfordert.

Jede Kurzgeschichte und damit jeder neue Tag bringt für den zum Homeoffice Verdammten neue Überraschungen! Im Eifer des Gefechts steht der Protagonist plötzlich während eines Video-Calls „Unten ohne“ da, ein anderes Mal schaffen es seine Mitmenschen, ihn den ganzen Tag von den wichtigen Dingen abzuhalten, die er hätte erledigen müssen, wozu auch bis zum Abend der Wechsel des Schlafanzugs gegen angemessene Kleidung gehört. Aber wenn man dazu nicht kommt…? Ärgerlich ist für Lizzys Liebsten auch, wenn ihm bei einer Videokonferenz permanent jemand zuvorkommt und er keine Chance zu einem Redebeitrag hat. Was seine Nachbarn anbelangt, lassen auch sie ihm kaum eine ruhige Minute: Sven wendet sich mit einer Bitte an ihn, Jens macht sich in seiner Küche breit und Nachbar Steve hilft er in diesen schwierigen Zeiten mit einem Drucker aus. Doch bei allem Ärger können sich sehr zu seiner Freude durchaus auch neue Freundschaften ergeben!

Mark Spörrle hat das eine oder andere Szenarium in seinen Kurzgeschichten eindeutig überspitzt dargestellt und die gleichzeitig auf seinen Protagonisten einstürzenden Aufgaben anzahlmäßig übertrieben, doch machen gerade diese Übertreibungen den Reiz seiner Erzählungen aus. Tatsächlich wird jeder, der schon von zu Hause aus arbeiten musste, ob im Homeoffice in Corona-Zeiten oder beispielsweise als Autor oder Musiker, die Erfahrung gemacht haben, dass die Mitmenschen diese Form der Arbeit nicht mit einer beruflichen Tätigkeit außer Haus gleichsetzen. Sie empfinden eine Unterbrechung, wie einen Anruf, weniger als störend und es ist für sie oft selbstverständlich, dass sich ein von zu Hause aus Arbeitender um Dinge des häuslichen Umfelds kümmern kann. Es darf darüber spekuliert werden, ob der Autor, der zufällig wie sein namenloser Erzähler ebenfalls verheiratet ist und dazu eine Tochter wie auch einen Hund hat, die eine oder andere Episode in ähnlicher, oder zumindest abgeschwächter Form erlebt hat. Seine amüsanten Geschichten aus dem Homeoffice mit häufig überraschendem Ende hat Yves Haltner mit dazu passenden bunten Illustrationen ergänzt.

Unten ohne von Mark Spörrle

Unten ohne
Heyne Verlag 2021
Hardcover
192 Seiten
ISBN 978-3-453-42609-2

Bildquelle: Heyne Verlag
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