Staub zu Staub von Felix Weber

Staub zu StaubIm Februar 1949 sucht Maria ihren Bruder Siem Coburg auf, der auf einem fahruntüchtigen Boot lebt. Sie bittet ihn, den in einem Rollstuhl sitzenden Tammens in Utrecht aufzusuchen. Wie Coburg von diesem erfährt, hat er seinen schwachsinnigen Enkel Siebold vor drei Wochen in ein Heim geben müssen. Den keine siebzehn Jahre alten Jungen hat Tammens tot zurück bekommen, wobei er wegen der bei seinem Enkel festgestellten Verletzungen nicht an einen natürlichen Tod glaubt. Coburg will seinem Freund gerne den Gefallen tun und sich im Internat Sint Norbertus in Wercke umsehen, da ihm Tammens während seiner Zeit als Widerstandskämpfer Unterschlupf gewährt und sein Enkel Siebold ihm das Leben gerettet hat.

Siem Coburg mietet sich bei einer Witwe ein und unter dem Vorwand, einen Artikel über das Heim für missgebildete und schwachsinnige Kinder schreiben zu wollen, verschafft er sich Zugang. Auf den ersten Blick scheint dort alles mit rechten Dingen zuzugehen, doch seine weiteren Erkundigungen bei einem vom Heim entlassenen Schreiner ergeben, dass die Kinder mit Wissen des Abtes Podocarpus auch nachts in kalten und feuchten Räumen sowie bei schlechtem Licht arbeiten mussten. Der Mann erinnert sich sogar an Siebold und vertraut Coburg an, dass Bruder Damianus häufig die Selbstbeherrschung verliert und den Jungen regelmäßig geschlagen hat. Ein Fährmann bestätigt Coburg, dass Damianus im Gegensatz zu seinem Mitbruder Felix gewalttätig ist. Coburg sucht in der Folge Dr. Van Waesberghe auf und je mehr er in Erfahrung bringen will, umso mehr schlägt ihm zunehmende Feindseligkeit von allen Dorfbewohnern entgegen. Obwohl Coburg gewarnt wird, gibt er nicht auf.

In dem Roman wechseln sich die Ereignisse um das aktuelle Geschehen im Jahr 1949, zu denen sowohl die Recherchen von Coburg, wie die Zwischenfälle im Heim gehören, mit Erinnerungen von Coburg über seine Zeit im Untergrund während des Zweiten Weltkrieges, in der er sich in Rosa verliebt hat, wie auch Erinnerungen von Bruder Felix an die schrecklichen Kriegsschauplätze. Seine in den Plot eingearbeiteten Tagebuchaufzeichnungen, die in einem belgischen Museum aufbewahrt werden, legen Zeugnis davon ab, dass er stumm wurde, weil er die fürchterlichen Folgen des Krieges wie den Einsatz von Giftgas erleben musste und deshalb mit Elektroschocks behandelt wurde.

Der sehr eindrückliche, tief bewegende und von Felix Weber auf einzigartige und interessante Weise umgesetzte Kriminalroman „Staub zu Staub“ darf sich wohl zurecht in die Reihe bedeutender Romane einfügen. Mit ergänzenden Informationen zur Sint Norbertus Affäre im Anschluss an den eigentlichen Plot ist es dem niederländischen Autor gelungen, dem Leser ein Gefühl von Authentizität der Handlung zu vermitteln. Sprachlos macht auch eine fiktive Auflistung der zu Tode gekommenen zweiunddreißig Kinder in dem Internat von Januar 1949 bis Oktober 1951. Felix Weber hat ein äußerst wichtiges Thema aufgegriffen und scheut sich auch nicht, Prinz Bernhard anzuklagen, den Vater der ehemaligen Königin Beatrix. Es ist schon traurig und macht fassungslos, dass gerade kirchliche Würdenträger mit Schutzbefohlenen so grausam umgegangen sind und ihre Verbrechen bis in die heutigen Tage nicht selten unter den Teppich gekehrt werden. Ein spannender und genial aufgebauter Roman!

Staub zu Staub von Felix Weber

Staub zu Staub
Übersetzung von Simone Schroth
Penguin Verlag 2020
Klappenbroschur
416 Seiten
ISBN 978-3-328-10499-5

Bildquelle: Penguin Verlag
PGltZyBsb2FkaW5nPSJlYWdlciIgc3JjPSJodHRwczovL3ZnMDgubWV0LnZnd29ydC5kZS9uYS8yN2NhYTIxMjM3ZjA0YzIxOThlZTI0NzRlNzIzZDFiYyIgd2lkdGg9IjEiIGhlaWdodD0iMSIgYWx0PSIiPg==

Teile diesen Beitrag