Einem Kriminalbeamten ist es nicht möglich, sich wie ein Bestatter in unverfänglichem Plauderton mit Angehörigen eines Mordopfers auszutauschen. Denn wer weiß schon, wo die Verdächtigen zu suchen sind? In der Bestatter-Krimi-Reihe von Tessa Korber entwickelt Viktor Anders bei Leichenfunden stets detektivischen Spürsinn, wie auch in dem Kriminalroman Schweig wie ein Grab*. Nach dem Ableben einer Nonne gehört es zu Viktors Aufgaben, den Sarg mit der Toten auf dem Gottesacker des Klosters Trubenbronn beizusetzen. Bei der nächtlichen Bestattung ist üblicherweise keine andere Klosterbewohnerin zugegen. Als Viktor mit seinem autistischen Cousin Tobias dieser Pflicht nachkommen will, entdeckt der einen noch warmen Toten auf dem Acker.
Unterdessen wird Hauptkommissarin Karoline Schneid zu einer Unfallstelle gerufen, an der Markus Hammer verstarb. Ausgerechnet Friedhelm Kemp, der Logopäde von Tobias, ist in den Unfall verwickelt. Im Protokoll erwähnt er eine Ehefrau, was seine Freundin Miriam irritiert, denn sie glaubt, dass Friedhelm unverheiratet ist. Natürlich erfährt Viktor davon, da Miriam einst seine Freundin war. Der aufgefundene Tote vom Klostergarten ist mittlerweile als Clemens Weidner identifiziert worden. Bei ihm hat man das Foto einer gewissen Julia gefunden, die Viktor aufsucht. Sie findet eine Verbindung zwischen dem Unfallopfer Markus Hammer und ihrem Freund Clemens Weidner. Über die Mutter von Clemens führt die Spur zu Dimitri Volkov, einem früheren Liebhaber, den Viktor und Julia im Gefängnis besuchen. Doch dann wird Julia von Dimitris Kollegen gekidnappt und Viktor erpresst.
Schon die Inhaltsangabe macht deutlich, dass die Lektüre vom Leser volle Konzentration erfordert. Die einzelnen Handlungsstränge greifen ineinander und verdichten sich, wobei sie an einen Gordischen Knoten mit komplizierten Verstrickungen erinnern. Tessa Korber charakterisiert Viktor Anders als jungen Mann, der lange Zeit als Weltenbummler das Leben genossen hat und „nichts anbrennen“ lässt. Er hatte nicht nur mit Miriam ein Verhältnis, sondern auch mit Hauptkommissarin Karoline Schneid, was natürlich Auswirkungen auf ihre berufliche Zusammenarbeit hat. So wenig seriös seine Figur erscheint, ist es ebenfalls die der Kommissarin, die als Tablettensüchtige nur auf Bewährung frei ist.
Neben dem Auffinden der beiden Toten, um die sich Viktor als Bestatter kümmert, lässt die Autorin auch Privates in den Plot einfließen: Viktor ist als Geschäftspartner bei seinem Onkel Wolfgang eingestiegen, der mit seiner Ehefrau Hedwig einen autistischen Sohn hat. Sie weiß, dass ihr Mann ein Verhältnis mit ihrer besten Freundin hatte, die jedoch seinen Bruder heiratete. Ihre Vermutung, dass Viktor der Sohn ihres Ehemanns sein könnte, bestätigt sich, womit die Handlung zusätzlichen „Zündstoff“ erhält. Der mit trockenem Humor bestechende Kriminalroman Schweig wie ein Grab* von Tessa Korber gehört in die anspruchsvolle Kategorie und ist besonders den Lesern zu empfehlen, die nicht jede Information auf einem „Silbertablett“ serviert bekommen möchten.