Scharfschütze von Christian Kärger

ScharfschützeMitten in München werden vor einem Café fünf Menschen kaltblütig erschossen. Zwischen den Toten scheint es keine Verbindung zu geben, ein Motiv ist nicht erkennbar und der untergetauchte Täter hat keine Spuren hinterlassen. Auch nach zwei Wochen tritt die Soko „Scharfschütze“ noch auf der Stelle, woraufhin sich Kriminaldirektor Dr. Schubert keinen anderen Rat weiß, als den ehemaligen Kriminalhauptkommissar Paul Simon ins Boot zu holen, der seit der Geburt seiner zweiten Tochter auf Wunsch seiner Ehefrau freiwillig den Dienst quittiert hat und in seiner Rolle als Hausmann glücklich ist. Obwohl ihn sein früherer Kollege und bester Freund Abel Lackhardt inständig um Unterstützung bittet, lehnt er ab. Erst als ihn seine ältere Tochter bittet, den Mörder ihrer unter den Mordopfern befindlichen Mitschülerin zu finden, nimmt er eine Sonderrolle als externer Ermittler an.

Während das LKA und der Verfassungsschutz keine neuen Erkenntnisse vorweisen können, bittet Paul seinen Kollegen Abel sowie die neue Kollegin Sandra Kleinert um absolutes Stillschweigen bezüglich der eigenen Ermittlungen, für die er sich ausdrücklich „freie Hand“ beim Chef erbeten hat. Tatsächlich gelingt dem Trio der Nachweis, dass der Mörder ein ehemaliger Elitesoldat ist, der sich inzwischen mit einem Sprung aus dem Fenster selbst das Leben genommen und sich in einem Abschiedsbrief auch zur Tat bekannt hat. Trotz dienstlicher Anordnung von Dr. Schubert, im Interesse der Staatsräson den Fall ad acta zu legen, ermittelt Paul aufgrund einiger Ungereimtheiten weiter und trifft auf einer Beerdigung – wie der aufmerksame Leser – auf einen alten Bekannten.

Der „Scharfschütze“ hat in dem Thriller von Christian Kärger als erstes einen Auftritt und fertigt in höchster Konzentration in einer Halle Patronen für ein Gewehr. Nach kurzer Vorstellung des Exkommissars Paul Simon tritt wieder der ehemalige sowie völlig durchtrainierte Soldat auf den Plan und übt in einer verlassenen Kiesgrube für sein Vorhaben. Bis zu diesem Punkt gibt es kaum eine wörtliche Rede. Das ändert sich erst, als Abel Lockhardt seinen früheren Kollegen Paul Simon zur Mitarbeit überreden will.

Die Hauptakteure sind vom Autor mit unverkennbaren Merkmalen ausgestattet: So zeichnet Paul eine unorthodoxe Denkweise mit der Fähigkeit, um zwei Ecken zu denken, aus. Einmal angebissen, kann er von einem Fall nicht mehr ablassen, selbst auf die Gefahr hin, dass seine Ehe in die Brüche geht. Sein Kollege Abel futtert bei jeder sich bietenden Gelegenheit, was seine Partnerin Sandra Kleinert als Veganerin eher abstößt. Im fortgeschrittenen Handlungsverlauf kommt noch ein leicht durchgeknallter 68er in Person von Jack, alias Dr. Murr hinzu, auf dessen Unterstützung Paul angewiesen ist.

Der genial durchdachte Thriller, bei dem sich der Protagonist scheinbar in ausweglose Situationen manövriert, für die der Autor stets eine plausible Lösung aus dem Ärmel zaubert, kommt trotz aller Spannung ohne halsbrecherische Verfolgungsjagden oder gar blutrünstige Szenen aus. Ohne zu langweilen informiert er über Posttraumatic stress disorder, kurz PTSD, womit posttraumatische Belastungsstörungen gemeint sind, und über MKULTRA, die in den 1960 und 70er Jahren streng geheim gehaltenen Menschenversuche des US-Geheimdienstes CIA mit dem Ziel, das Bewusstsein zu kontrollieren und ein Wahrheitsserum zu finden, wobei die Gerüchteküche bis heute brodelt, ob die Versuche tatsächlich jemals aufgegeben wurden. In dem Zusammenhang ist mehrmals der von Richard Condon im Jahr 1959 veröffentlichte Roman „The Manchurian Candidate“ erwähnt worden. Dank der herrlich bissigen und ironischen Untertöne sowie der spitzen Bemerkungen von Seiten der Ermittler ist der Thriller ein Vergnügen der Extraklasse!

Scharfschütze von Christian Kärger

Scharfschütze
Penguin Verlag 2019
Taschenbuch
528 Seiten
ISBN 978-3-328-10310-3

Bildquelle: Penguin Verlag
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