Pietà – Steinerner Tod von Alex Thomas

Die Pietà stellt den vom Kreuz genommenen und in den Schoß seiner Mutter Maria gelegten Leichnam Jesu dar. In der bildenden Kunst ist die von Michelangelo geschaffene und im Petersdom zu bewundernde Pietà aus Marmor das bekannteste Werk dieser Art. Unter dem Brandenburger Tor entdecken Touristen in dem Thriller von Alex & Thomas eine Frau sowie einen Mann, den sie in ihren Armen hält und der wie sie unbekleidet und dazu mit bronzener Farbe und Blut beschmiert ist. Als Kriminalkommissarin Annetta Niedlich am Tatort eintrifft, hat man die Frau, die im Gegensatz zu dem Mann noch lebt, bereits in die Charité verlegt. Der von Niedlich bewunderte Dr. Ralf Lewandowski richtet ihr von Kriminaldirektor Kurt Monsen aus, dass sie dem wegen eines Herzleidens schon aus dem Dienst geschiedenen, doch für den Fall reaktivierten Polizeihauptkommissar Magnus Böhm assistieren soll, der vor vierzehn Jahren in Rom einen Killer, der Menschenskulpturen präsentierte, gejagt und nicht gefasst hat.

In der Pathologie in Moabit treffen Niedlich und Böhm erstmals aufeinander und erfahren von der Rechtsmedizinerin, dass der gefolterte und ausgepeitschte Tote Kreuzigungsverletzungen aufweist. Obwohl auf den Überwachungskameras zu sehen ist, wie zunächst die Frau auf einer Bank platziert und ihr daraufhin die männliche Leiche wie eine Skulptur auf den Schoß gelegt wurde, bringt das die Ermittler ebenso wie die unzähligen im Netz kursierenden Videos von Schaulustigen nicht weiter. Ihre Hoffnungen stützen sich auf eine erste Vernehmung der lediglich mit starker Unterkühlung davongekommenen Frau in der Charité. Immerhin ist dank eines früheren Unfalls anhand der Datenbank bekannt, dass es sich dabei um die siebzehnjährige Emma Zabek handelt. Als ein zweites Leichenpaar aufgefunden wird, haben Böhm und Niedlich die schlimmsten Befürchtungen, zumal der Killer längst wieder Emma im Visier hat!

Im steten Wechsel erzählt das Autorenehepaar Alex & Thomas von der Ermittlungsarbeit auf der einen Seite und den Geschehnissen um Emma Zabek sowie dem Täter auf der anderen Seite: Durch Emmas Erinnerungen erfährt der Leser Zug um Zug von ihrer Gefangennahme und den schrecklichen Erlebnissen, während Arvid Sartorius, den die Autoren dem Leser schon frühzeitig als Mörder präsentieren, das Überleben von Emma mit Überraschung zur Kenntnis nimmt. Das Team Böhm und Niedlich könnte kaum gegensätzlicher sein, nicht nur vom Alter her, sondern auch von der Größe und dem Gewicht. In halsbrecherischem Fahrstil chauffiert ihn „dieses Junggemüse“ in ihrem „klapprigen Kugelporsche“ durch Berlin. Immerhin sickert nach anfänglicher Skepsis bei Böhm allmählich die Einsicht durch, dass die anscheinend völlig Unerfahrene doch Ermittlertalent besitzen könnte.

Alex & Thomas liefern in ihrem Thriller „Pietà – Steinerner Tod“ eine Menge Lokalkolorit, von Infos zum Moabiter Krankenhaus sowie der Charité bis hin zu den Betonburgen in Marzahn und erinnern darüber hinaus unter anderem an die Bücherverbrennung im Jahr 1933 und den Einsturz des Kölner Archivs im Jahr 2009. In höchst amüsantem Schreibstil ist von Niedlichs Gedankensprüngen die Rede, die Böhm zu der Vermutung veranlassen, ihre Zöpfe könnten Antennen sein. Und wer vermutet schon in einem Thriller die Umschreibung, dass sich beim Niederlassen des massigen Kommissars auf dem Beifahrersitz eines VW-Käfers die eine Seite der Karre „wie ein schwammiges Weißbrot“ zusammensackt? Obendrein scheint “Pippi Langstrumpfs” Fahrzeug über Raketenantrieb zu verfügen, was dem Leser immer wieder ein Schmunzeln abverlangt. Ohne Zweifel haben es die Autoren trotz dieser amüsanten Einlagen geschafft, den Leser von der ersten bis zur letzten Seite an den spannenden und wendungsreichen Plot zu fesseln, bei dem der Mörder mit den Ermittlern spielt und diese zum Narren hält.