Okay, danke, ciao! von Katja Hübner

Okay, danke, ciao!Katja Hübner, die als Grafikerin in der Musikbranche unter anderem Udo Lindenberg betreut, begegnete im Mai 2017, nur wenige Meter von ihrem Zuhause im Hamburger Schanzenviertel, einem jungen Mann, der inmitten einer Hundewiese verwahrlost auf einer Bank lebte. Sie sprach Marc an und gab ihm auf seinen Wunsch hin jedes Mal, wenn sie an ihm vorbeiging, eine Zigarette. Mit der Zeit erfuhr Katja, dass Marc siebenundzwanzig Jahre alt war und von Essensresten aus der Mülltonne gelebt hat, bis sie dazu überging, ihm täglich Essen und Getränke zu bringen, was er stets einsilbig mit „Okay, danke, ciao!“ quittierte.

Als Dauerregen Marcs Kleidung völlig durchnässte, kaufte sie ihm eine Jacke, die jedoch bald wie die alte vor Wasser triefte. Jede weitere Hilfe lehnte Marc ab. Inzwischen fühlte sich Katja immer mehr für Marc verantwortlich. Weil sie die Zustände für unhaltbar hielt, recherchierte sie im Internet über die Möglichkeit einer Zwangseinweisung, doch schien das keine Lösung zu sein. Im Zuge des geplanten G-20-Gipfels im Juli 2017 auf dem Messegelände an der Grenze zum Schanzenviertel sorgte sie sich sehr um Marc wegen der befürchteten Krawalle.

Zunehmend fasste Marc Vertrauen zu Katja Hübner und verriet ihr seinen Nachnamen, was ihr die Möglichkeit einer Suche im Internet bot. Über Facebook fand sie den Hinweis, dass Marc, Sohn eines Deutschen und einer Indonesierin, früher Sänger in einer indonesischen Punkband war und ein Bruder von ihm ebenfalls in Hamburg lebt. Von ihm erfuhr sie, dass Marc zu dem Zeitpunkt bereits seit zehn Jahren an schizophrener Psychose litt. Ihr Wille zu helfen wurde auch nicht durch das Unverständnis der um Hilfe gebetenen Ämter gebrochen, die keinen Handlungsbedarf sahen, obwohl der nächste Winter bevorstand, der für Marc den sicheren Tod bedeutet hätte. Unermüdlich beschaffte sie immer neue Schlafsäcke, die von Mitarbeitern des Ordnungsamtes jede Woche einfach entsorgt wurden, und knüpfte schließlich Kontakt zu Professor Thomas Bock, Leiter der Psychose-Ambulanz des Universitätsklinikums in Hamburg-Eppendorf.

Bis Marc wirklich Hilfe von Katja Hübner annahm, war es ein weiter Weg, und wie Professor Bock in einem Nachwort zum Buch „Okay, danke, ciao!“ schreibt, wäre Marc ohne Katja Hübners selbstlose Hilfe erfroren. Obwohl sie ihrem Beruf als Grafikerin nachgehen musste und mit Frank einen Lebenspartner sowie mit Paulina eine pubertierende Tochter hatte, die bestimmt viel Verständnis für ihr soziales Engagement aufbringen mussten, konnte sie nicht wegsehen und den obdachlosen jungen Mann seinem Schicksal überlassen. Sie hat nicht nur wertvolle Zeit geopfert, was ihr hoch angerechnet werden muss, und Marc finanziell unterstützt, sondern hat zudem seinen Gestank ertragen, da er seit Monaten nicht mehr geduscht hatte!

Das sehr interessant zu lesende Buch, das den Zeitraum von Mai 2017 bis Mai 2020 umfasst, informiert über das Krankheitsbild einer Psychose und die rechtliche Situation in Deutschland, wonach psychotische Obdachlose, auch wenn sie absolut keine Körperpflege betreiben und sich nicht mehr um sich selbst kümmern, nicht in die Psychiatrie eingewiesen werden können. Ein Dilemma, denn sie haben keine Einsicht in ihre Krankheit und das Gesetz sollte eigentlich zu ihrem Schutz sein. In dem Buch, in dem Katja Hübner viel von ihrer persönlichen familiären Situation verrät, schreibt sie auch von grundsätzlichen Problemen eines Betreuers, wenn diese beispielsweise bei einem nicht existierenden Personalausweis keinen Antrag auf Hartz IV stellen können. So couragierte und aufopferungsvolle Menschen wie Katja Hübner sind leider viel zu selten!

Okay, danke, ciao! von Katja Hübner

Okay, danke, ciao!
Heyne Verlag 2021
Klappenbroschur
192 Seiten
ISBN 978-3-453-27292-7

PGltZyBsb2FkaW5nPSJlYWdlciIgc3JjPSJodHRwczovL3ZnMDQubWV0LnZnd29ydC5kZS9uYS83ODg1MTdkZGY4MWI0MzE4YTdlMDM0MWE5M2QxZGMzMSIgd2lkdGg9IjEiIGhlaWdodD0iMSIgYWx0PSIiPg==
Bildquelle: Heyne Verlag


Teile diesen Beitrag