Kriminalhauptkommissar Tobias Velten arbeitet in der Abteilung Staatsschutz und wird von seiner Chefin Dr. Meyer für einen neuen Einsatz nach Juist geschickt. Bundespräsident Jochen Bramberger will auf der Insel seinen Urlaub verbringen, und aufgrund einer verschlüsselt abgefangenen Nachricht besteht der Verdacht, dass auf ihn ein Attentat verübt werden soll. Da es sich dabei lediglich um einen ins Darknet führenden Tipp gehandelt hat, müsste es im Fall einer real existierenden Bedrohung in den eigenen Reihen einen Maulwurf geben. Dr. Meyer bittet Velten deshalb darum, inoffiziell Ermittlungen gegen das von Svenja Jenner geführte zehnköpfige Team der unmittelbaren Personenschützer zu führen, während ihm selbst die Planung und Konzeption der Sicherheitsmaßnahmen für ein zweites Team obliegt.
Velten kommt nach Juist, wo er Svenja Jenner, eine alte Freundin, wiedertrifft, mit der er die weiteren Abläufe bespricht. Als der Bundespräsident auf der Insel eintrifft, ist Velten erstaunt, wie schnell erste Fotos von dessen Ankunft in der Onlineausgabe einer Boulevardzeitschrift auftauchen und er fragt sich, ob er über den Fotografen, der sich ja schon vorher auf Juist eingefunden haben musste, nicht an die undichte Stelle kommen kann. Schon früh fallen Velten Ungereimtheiten bei den erforderlichen Schutzmaßnahmen auf, die er jedoch nicht weiter verfolgt. Dann wird tatsächlich ein Anschlag auf Bramberger verübt, was eine unerwartete Wendung der Ereignisse nach sich zieht. Wem kann Velten jetzt noch trauen?
Gleich mit seinem ersten Roman „Nordseedämmerung“ zeigt Christian Kuhn, was in ihm steckt. Von Anfang an macht er Tempo, setzt auf volle Spannung und kann den Leser, der teilweise mehr als die Handlungspersonen weiß, an den weiteren Handlungsverlauf fesseln. So sind ihm die Drahtzieher des Attentats bekannt: Julia Miller überreicht an Hans Brann ein Scharfschützengewehr. Der Präsident wird von dem Autor als starrköpfig, unbelehrbar und unsympathisch beschrieben. Sein Protagonist Tobias Velten behält selbst nach nur zweistündigem Schlaf einen kühlen Kopf.
Christian Kuhn hat sich für seinen Kriminalroman „Nordseedämmerung“ die schriftstellerische Freiheit genommen, fiktive Dinge wie den in seiner Geschichte erwähnten Roman „Juister Mordsee“ neben real existierenden einzubauen, wie die Produktion des Kaffees Kopi Luwak, bei dem Schleichkatzen im asiatischen Raum mit Kaffeekirschen gefüttert werden, was Tierschutzorganisationen wegen der nicht artgerechten Ernährung und tierquälerischer Haltung in Käfigbatterien anprangern. Zudem hat er es nicht an Lokalkolorit mangeln lassen. Bereits auf den Umschlagseiten befinden sich eine Karte der Insel und eine des Dorfes. Wie ein roter Faden ziehen sich örtliche Beschreibungen durch den Plot, die aber durchaus wegen der einzuleitenden Schutzmaßnahmen der Ermittler zum besseren Verständnis beitragen. Allein der Satz, dass sich Juist „einen der schönsten Strände der Welt zu haben“ rühmt, könnte die Hoffnung der dortigen Hoteliers nähren, weitere Besucher auf die sicherlich reizvolle Insel zu locken, während Leser auf eine Fortsetzung der Reihe mit Tobias Velten hoffen, der wie der Autor gerne joggt und alten Whisky zu schätzen weiß.
Nordseedämmerung von Christian Kuhn
Heyne Verlag 2020
Klappenbroschur
320 Seiten
ISBN 978-3-453-42421-0