Nicht von dieser Welt von Arne Ulbricht

Nicht von dieser WeltHerr Gödel wollte, dass sein Sohn Heinz ein Medizinstudium absolviert, um eines Tages seine Praxis zu übernehmen. Das ist jedoch seiner erfolgreichen Tochter gelungen und der gemeinsame Bruder, der es bis zum Staranwalt gebracht hat, wird Heinz ebenfalls bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Vorbild vorgeführt. Stattdessen hat er lediglich ein Lehramtsstudium absolviert, womit er der Außenseiter der Familie ist und irgendwie „Nicht von dieser Welt“ zu sein scheint. Im Gegensatz zu allen Angehörigen besucht er regelmäßig die Schwester seiner Mutter, die in ein Heim abgeschoben werden soll. Er besitzt weder ein Smartphone, noch einen Fernseher und liest stattdessen viele Bücher, vornehmlich von Karl May. Alle zwei Wochen lässt er sich die Haare schneiden und sein einziger Freund ist sein Hund Franz, der HIPP Babynahrung bevorzugt und mit dem er auch unter der Bettdecke kuschelt. Der mittlerweile Sechsunddreißigjährige zeigt auch kein Interesse an Sex, obwohl ihn die Abiturientin Jenny einmal dazu verführt hat.

Überraschend wird Heinz ein Jahresvertrag als Deutschlehrer an einem Gymnasium angeboten. Gleich zu Beginn wird er von seiner Kollegin Frau Huber darin unterwiesen, dass er sich Respekt bei den Schülern verschaffen muss, um eine Klasse „im Griff“ zu haben. Kollegin Petra zeigt sich wie die Schüler der Klasse 9a irritiert, dass er sich in Ermangelung eines Handys nicht der WhatsApp-Gruppe anschließen kann. Heinz, der sich zunächst hoffnungsvoll in seine neue Aufgabe gestürzt hat, sieht sich zunehmend vor größere Probleme mit schwierig zu händelnden Schülern gestellt, die selbst während des Unterrichts ihr Handy benutzen. Die Situation spitzt sich zu, Heinz erhält eindeutige Drohungen, während einer Skifreizeit wird ihm übel mitgespielt und um überhaupt noch abschalten zu können, muss er die Dosis seiner Schlaftabletten immer mehr erhöhen.

Arne Ulbricht hat mit seinem Protagonisten Heinz Gödel einen Menschen geschaffen, der sich in keinster Weise für den Beruf des Lehrers eignet. Ihm fehlt es zwar nicht an fachlicher Kompetenz und er bringt eigentlich sogar wünschenswerte Eigenschaften mit, denn es ist ihm ein Anliegen, seine Schüler für den Unterricht zu begeistern sowie durch die Vergabe von guten Noten zu motivieren, da schlechte Noten bei einer nächsten Klassenarbeit einen zu hohen Leistungsdruck auf sie ausüben. Doch mangelt es ihm an Selbstbewusstsein und Rückgrat, wenn es darum geht, seine Meinung zu einem Sachverhalt zu äußern, auch wenn sich die gegen einen Kollegen richtet. Wie in vergangenen Zeiten, wenn eine Mutter ihren Kindern mit dem von der Arbeit heimkehrenden Vater drohte, so will auch der Lehrer Heinz Gödel bei Problemen seine Kollegin Frau Huber zu Hilfe holen, womit er natürlich jegliche Autorität mit dem Eingestehen von Schwäche verliert.

Natürlich lässt es Arne Ulbricht, der selbst an einer Schule unterrichtet, in dem Roman nicht an Kritik fehlen, die sich gegen den Schulalltag und auch zum Teil gegen Lehrer richtet, denen es vordergründig nicht um das Wohl der ihnen anvertrauten Schüler geht. Dazu gibt es aus der Praxis genügend Beispiele, wie Schüler ihre Lehrkräfte in die Verzweiflung und Hilflosigkeit drängen. Doch der vom Autor erschaffenen Figur des Lehrers Heinz mangelt es auch, unabhängig der ohne Zweifel zum Teil heiklen Situationen, denen Lehrer der heutigen Schülergeneration gegenüberstehen, in jeder Hinsicht an Qualitäten, die dieser Beruf erfordert und aus diesem Grund ist sein Scheitern vorprogrammiert. Er ist einfach „Nicht von dieser Welt“, wenn er sich wie Mr. Bean selbst zu Weihnachten beschenkt. Von daher verwundert den Leser auch nicht, dass der völlig Überforderte am Ende zu einem äußerst drastischen Mittel greift, womit der Roman auf jeden Fall genügend Zündstoff innerhalb eines Lehrerkollegiums bietet und allen Nichtpädagogen eine Persönlichkeitsstudie eines seltsamen Menschen.

Nicht von dieser Welt von Arne Ulbricht

Nicht von dieser Welt
Klak Verlag 2016
Klappenbroschur
290 Seiten
ISBN 978-3-943767-58-2

Bildquelle: Amazon
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